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KPÖ — unbewältigte Gegenwart

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In den sechs Tagen des Nahostkrieges, in denen sich — um mit dem Chefredakteur der „Weltwoche“ zu sprechen — wie im Märchen die Wahrheit auf dieser Erde behauptete, das Gute über das Böse, David über Goliath siegte, in jenen sechs Tagen wurden inmitten eines Meeres der Sympathie für Israel die ausgehöhlten und zerrissenen Felsriffe der kommunistischen Parteien umspült, die all das nicht wahrhaben wollten. Ihre Organe bemühten sich verzweifelt, die sowjetische Verteidigung des arabischen Vorgehens zu verteidigen. Die paranoiden Ausreden auf imperialistische Verschwörungen — keineswegs vordem aus dem kommunistischen Sprachgebrauch verschwunden, doch leichter abgestimmt — brachen nun wieder mit aller Vehemenz hervor. So schrieb das Organ der KPÖ. die „Volksstimme“ vor und nach dem Krieg: „Zu B-inn der Krise hatten die Regierungen Syriens und der VAR festgestellt, Israel plane im Einverständnis mit dem Pentagon einen Einfall in Syrien mit dem Zweck, dort einen Rechtsputsch auszulösen...“ Diese Behauptung war noch am selben Tag — dem israelischen Unabhängigkeitstag—, an dem sie auftauchte, von den UNO-Beobachtern an der israelisch-syrischen Grenze als unfundiert erklärt worden. Sie war in der internationalen kommunistischen Berichterstattung, inbesondere dem Kairo-Korresnondenten der italienisch-kommunistischen „Unitp“, nachgeschrieben worden. Dieser wurde unterdessen von seiner eigenen Partei beschuldigt, von Nasser gekauft worden zu sein. Das hat die „Volksstimme“ und auch das Pol-Büro-Mitglied Erwin Scharf jedoch nicht gehindert, die Behauptung noch am 1. Juni zu wiederholen.

Zum Unterschied von 1956 gab es jedoch diesmal nicht nur heftige, sondern auch öffentliche Reaktionen bei den Mitgliedern. So wurde die Redaktion der „Furche“ von dem angesehenen Maler Georg Eisler um Abdruck einer Zuschrift gebeten, die er ursprünglich an die „Volksstimme“ gerichtet hatte, die sich jedoch geweigert hatte, sie zu veröffentlichen. Der Brief enthält unter anderen (meist nicht weniger kritischen) die folgenden Stellen:

„Werte Genossen, mit wachsendem Befremden habe ich die Berichterstattung und die Kommentierung des Nahostkrieges in der ,Volks-stimme' verfolgt. Ich möchte hier vor allem auf die willkürliche Einseitigkeit der Berichterstattung hinweisen. Vergessen scheinen die aggressiven Maßnahmen der arabischen Staaten in den Wochen vor Ausbruch der Kriegshandlungen zu sein, die immer wieder als israelische Aggression dargestellt werden.

Für den Frieden sein, heißt nicht, einseitig den arabischen Standpunkt einzunehmen. Das kleine Volk Israels hat erstaunlichen Mut in der Verteidigung seiner auf das tödlichste bedrohten Heimat bewiesen... Es ist ... Tatsache, daß der Großteil der österreichischen Kommunisten in den letzten Wochen um den israelischen Staat bangte, und dies kam in der ,Volksstimme' in keiner adäquaten Weise zum Ausdruck...

Ich glaube nicht, daß mit der übertriebenen Betonung der Tatsache, daß Israel wahrscheinlich den ersten Schuß in diesem Krieg abgegeben hat, der friedlichen Lösung dieses Konflikts, dessen große Tragik in der simplifizierten Darstellung der ,Volksstimme' und des Gen. Fürnberg kaum zum Ausdruck kommt, gedient werden kann. Die ,Volksstimme' hat das Kriegsgeschrei der arabischen Politiker und Militärs, dieser seltsamen Vereinigung von sonst von uns so gerne angegriffenen ölköni-gen und Sklavenhaltern mit sozialistischen' Militärs und Nationalisten, fast nicht dargestellt. Großzügig erklärt die ,Volksstimme', daß das israelische Volk nicht mit seiner Regierung identifiziert werden soll. Ist nicht einer der Gründe der großen Niederlage darin zu finden, daß die arabischen Völker sich nicht mit der kriegerischen Haltung ihrer Herrscher identifizieren können? Wäre ihr hartes Leben durch die Vernichtung des sehr kleinen Israel leichter geworden? ... Wie würden die Forderungen der arabischen Staatsmänner aussehen, hätte Israel die Waffen gestreckt?“

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