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Auf der Suche nach einem „österreichischen Weg”

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In nächster Zeit tritt, voraussichtlich im Wiener Sofiensaal, der 17. Parteitag der KPOe xusammen. In der fast vierzigjährigen Geschichte der österreichischen Kommunisten dürfte diesem Parteitag wohl besondere Bedeutung zukommen. Nicht allein deshalb, weil hier endlich das lange geforderte Parteiprogramm beschlossen werden oll, sondern vor allem deshalb, weil man in Parteikreisen in dieser Stunde die letzte Chance ieht, den rapiden Mitgliederschwund zu stoppen.

Tatsache ist, daß sich nach dem XX. Parteitag der KPdSU in den Reihen der kommunistischen Grundorganisationen eine Lethargie breit gemacht hat, der man bisher nicht beikommen konnte. Die sensationelle Rede Chruschtschow ‘ mit der Entthronung Stalins wirkte auf die meisten Parteigenossen wie eine kalte Dusche. Einzelne Bezirksleitungen ließen die Stalinbüsten sofort verschwinden, andere warteten auf Weisungen, die aber bis heute nicht eingetroffen ind. Trotz eines Großeinsatzes von Funktionären, die den einfachen Mitgliedern die Vorgänge in der Sowjetunion erklären und erläutern mußten, wucherte in den Mitgliedern tiefe Mißtrauen weiter, das ich nach der Rehabilitierung des toten Rajk, des neuen Glanzes Titos (der jetzt wieder etwas verblaßt) und den Vorgängen in Polen und “Ungarn noch ver- stärkte.

ZK-Funktionäre, denen jahrelang rhythmisches Klatschen (die höchste Form kommunistischer Beifallsbezeugung) bei Versammlungen sicher war, wurden jetzt von den Mitgliedern iifs’Kreuzfeuer genommen und bettelten geradezu um die weitere Gunst der einfachen Genossen.

Dazu kam noch, daß die blutigen Ereignisse in Ungarn die KPOe und ihre Mitglieder völlig in die Defensive drängten. Alte Arbeiter, die aus ehrlicher Ueberzeugung seit vielen Jahren ihre Parteiarbeit leisteten, erklärten, es einfach nicht auszuhalten, von ihren Arbeitskollegen gemieden zu werden, ja oftmals persönliche Angriffe zu erleiden. Hunderte Male mußten die ZK-Funktionäre hören: „Ja, ihr habt leicht reden, ihr itzt im Zentralkomitee, aber wir müssen in der Fabrik stehen und uns einiges anhören.”

Zu diesem Zeitpunkt begannen die massenhaften Austritte aus der Partei, die in dem Ausscheiden des alten Mitgliedes des Zentralkomitees, Dr. Otto Langbein, ihren vorläufigen Höhepunkt fanden.

Von dieser Krise wurden besonders die Intellektuellen in der KPOe erfaßt. Stürmische Debatten der kommunistischen Schriftsteller bis in die späten Nachtstunden führten zu keinen Ergebnissen. Nationalrat Fischers Beruhigungsversuche wurden ironisch zurückgewiesen. Es bildeten ich Gruppen und Grüppchen, die durchweg keine klare Vorstellung von einer neuen KPOe hatten. Während die einen nach einem österreichischen Gomulka suchten, ihn aber nirgends sahen, beschränkten sich die anderen auf höhnische Bemerkungen über alle Stalinisten, einschließlich des österreichischen Parteisekretärs Fürnberg. Man forderte „Köpfe”, deren ersten und einzigen dann bei der Wiener Parteikonferenz Kaderchef Hirsch lieferte.

Die Parteiführung erkannte nun, daß sie Zeit gewinnen müsse. Sie wälzte die Intellektuellendiskussionen in das „Tagebuch” und meinte mit einem Augenzwinkern zu den Arbeitern: „Nun sind wir in der .Volksstimme’ wieder unter uns — ohne die unverläßlichen Akademiker und .klassenfremden Elemente’.” Nichtsdestoweniger wütete Fürnbergs Kotstift weiterhin im „Tagebuch”, wovon am meisten Dr. Matejka und Dr. Langbein betroffen waren. Letzterer zog daraus die bekannten Konsequenzen.

In der „Volksstimme” stellte man dafür ein „Dokument”, „Oesterreichs Weg zum Sozialis- mus”, zur Diskussion, Alle Leserbeiträge dazu sollten nun veröffentlicht und damit die breite innerparteiliche Demokratie dokumentiert werden. Sämtliche höheren Parteiangestellten und Angestellten des „Globus “-Verlages ließen und lassen sich nun die Gelegenheit nicht entgehen, neben Scheinkritik „Hymnen” an die Parteiführung, das heißt Fürnberg und Zucker- Schilling, den Chefredakteur der „Volksstimme”, zu richten, um dadurch „die Stellung zu halten”.

Dabei wurden allerdings an die „Volksstimme’ auch peinliche Fragen gerichtet,. etwa, ob das sozialistische Oesterreich mit der Forderung nach Diktatur des Proletariats auch neutral sein könne, wo dies doch im Falle Ungarn glattweg abgelehnt wurde? Ob das sozialistische Oesterreich nicht in Widerspruch zur Sowjetunion gerate, die doch die permanente Neutralität verlangt und paraphiert habe?

Die Parteifunktionäre stellten zu dieser Frage beruhigend fest, daß der Sozialismus sowieso erst dann komme, wenn es die Mehrheit des Volkes wolle, so daß man sich darüber also noch lange nicht den Kopf zerbrechen müsse …

Der „österreichische Weg’ scheint also bis zum 17. Parteitag nicht gefunden zu werden, gerade er aber liegt den Mitgliedern, oder zumindest einem Teil von ihnen, am Herzen. Sie wissen, daß die ewige Nörgelei an Oesterreich von 98 Prozent der Bevölkerung überhaupt nicht beachtet wird. Sie wissen auch, daß ihre Führung in der politischen Diagnostik immer wieder versagt hat. So erinnert man sich, daß das ZK die Hochkonjunktur in Oesterreich rund zwei Jahre zu spät bemerkte (oder bemerken wollte). Außenpolitisch ist die Hand der Parteiführung nicht glücklicher. Das erschütterndste Beispiel war der Abschluß des österreichischen Staatsvertrages, der von jedem früher als von der KPOe erwartet wurde. Nur einige Beispiele dafür: „Globus”-Bau im 20. Bezirk, Uebersied- lung aller Spitzenfunktionäre in die russische Zone, Ausspruch Honners in Brunn: „Die Russen gehen nicht weg, bevor Oesterreich sozialistisch ist.’

All diese Mißerfolge müßten eigentlich dazu führen, daß die gegenwärtige Parteiführung mit Bomben und Granaten beim Parteitag durchfällt. Aber Herr Fiirnberg hat vorgesorgt. Der Delegiertenschlüssel (für 150 Mitglieder ein Delegierter) sieht vor, daß viele Bezirke hauptsächlich durch den Bezirkssekretär, also einen Parteiangestellten, vertreten’ sind, der mit den Spitzenfunktionären des Bezirkes eine kompakte Mehrheit für das ZK und Fürnberg darstellt.

Allzu rabiate Oppositionsmeier werden „als der Einheit der Partei feindlich” einfach ferngehal- ten. Ja man erwartet sogar, daß der oftmalige „Sünder” Dr. Viktor Matejka diesmal dem Bannstrahl seines persönlichen Feindes Fürnberg zum Opfer fällt und nicht mehr ins ZK gewählt wird.

Damit dürfte auf diesem Parteitag wirklich die Ruhe eines Friedhofes in der Kommunistischen Partei Oesterreichs hergestellt werden. Die Stalinbüsten österreichischer Prägung kommen wieder auf die Podeste, aus den Räumen der Arbeiterschaft aber werden auch die letzten schwinden.

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