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Salatblätter auf ein Sandwich

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NLÄSSE UND STEINGÄRTEN. Gedichte. Von Günther Eich. Suhrkamp-Verlag, Frank-irt am Main, 1966, 80 Seiten, DM 10.—.

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NLÄSSE UND STEINGÄRTEN. Gedichte. Von Günther Eich. Suhrkamp-Verlag, Frank-irt am Main, 1966, 80 Seiten, DM 10.—.

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uer vorliegende cana ist. aie arme Lyriksammlung Günter Eichs. Vorangegangen sind 1955 „Botschaften des Regens“ und 1964 „Zu den Akten“. Wenn Eich ursprünglich als Naturlyriker der Nachkriegszeit angesehen wurde, der Morgen- und Abendstimmungen liebt und formal gesehen in langen Reimen mit festem Straphenschema schreibt, so ist dies heute kaum noch feststellbar. Die „Steingärten“ des Titels lassen sich nur bedingt im Sinn von Naturlyrik begreifen, sie bergen schon eine bestimmte Weltschau in sich, wenn auch eine Vorliebe für geologische Bezeichnungen bei Eich noch immer festgestellt werden kann.

Das Grundthema Eichs ist das trügerische Erscheinungsbild der Welt, Trauer, Resignation, Enttäuschung, Bitterkeit, die Schuld des Daseins, Grausamkeit, die Sümpfe der Welt. Er klagt noch immer an und bekennt. Er hat vieles nicht vergessen können und findet auch im gegenwärtigen Deutschland „Anlässe“ zu Klagen. Die Brüchigkeit des Menschen, der Welt wird überall geschaut. „Entscheidungen aussprechen / ist Sache der Nilpferde. / Ich ziehe vor, / Salatblätter auf ein / Sandwich zu legen und / unrecht zu behalten.“ (Seite 8.) — „Wir haben den Tod nicht erfunden, / aber er ist brauchbar.“ (Seite 55.) — „Armer Sonntag, / Stunde der Prächtigen, keine verstohlene Wollust / im toten Winkel, / alle Segel gehißt und mit starren / Brustwarzen in die Gesundheit.“ (Seite 53.)

Eich bringt eine Fülle eindrucksvoller Bilder, die unverbrauch wirken („Abends / steigt das Fiebei in die Klinikbetten... Seite 75 Draußen / fahren-die Freunde / ml ihren Wirklichkeiten vorbei, / di< Feinde / mit ihrem Einverständnis.' (Seite 49.) Oft sind die Bildworte st im ganzen Gedicht aufgegangen, daf der einzelne Vers nicht mehr herausgegriffen werden kann; vergleich! Seite 14, die dritte Strophe ist die lyrische Verdichtung der beiden vorangegangenen und kann nur im Zuerfaßt werden. („Ein bestimmtes / isländisches / Geländewort, das / alles zukünftig wendische / Moos unter uns Hundern, / unter uns Gräbern / hörbar ergraut / dürr flüsternd verpfotet.“ — Bei Hundern liegt vermutlich ein Druckfehler vor, und es handelt sich um Hunde, die auch in der zweiten Strophe vorkommen.) Ein Hauch von Ordnung wird selbst in den trostlosen „Versteinerungen“ geschaut. („Waldein nach Hiroshima, / zwischen Hunden die Treppe im Steinbruch, / eine Spanne Trost aus Baracken gezogen, / aus morschem Gras, morschen Stricken.“ Seite 11.) Kleine Hoffnungen sind dem Dichter erhalten geblieben, auch wenn sie die Bitterkeit einschließen (Ich habe meine Hoffnung / auf Deserteure gesetzt... schon rötet der Morgen / die Parkplätze, es ist / noch alles voll Hoffnung.“ Seite 23.) — Nehmen wir teil an der schwachen Hoffnung des Dichters! Dr. Christine Kosnetter

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