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Julien Green, Tagebucher 1946 bis 1950

19451960198020002020

Uebertragen und mit Anmerkungen versehen von Hanns von Winter, HeroldVerlag, Wien-München.324 Seiten. Preis 76 S

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Uebertragen und mit Anmerkungen versehen von Hanns von Winter, HeroldVerlag, Wien-München.324 Seiten. Preis 76 S

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Julien Green, heute in der ersten Reihe unter Frankreichs katholischen Romanciers, in letzter Zeit auch als Dramatiker bekanntgeworden („Sud“, „L'Ennetni“), hat mit seinen Tagebüchern (die Aufzeichnungen für die Jahre 1928 bis 1945 sind schon vor einiger Zeit erschienen) neben der rein persönlichen Aussage über seine Welt, die Welt eines gründlichen, genauen, sich vor Uebertreibungen und Sarkasmen hütenden Schriftstellers auch eine prägnante Revue der zeitgenössischen französischen Literatur und — dies immer wieder betont und primär — ein Bekenntnis zur religiösen Praxis und Theorie von heute geliefert. „Confessiones“ sind daraus geworden, geformt aus eigenem, tiefem Erleben eines Konvertierten, der den Kontakt mit seinen geistlichen Freunden aufrecht hielt, der in stetem Weiterlernen vorwärtskam. Die Glaubensgewißheit und das Ringen darnach, die „leidige Leib-Seele-Frage“, sie sind zentral geworden, und sie werden verständnisvoll für das Bemühen oder das Irren der anderen angeschnitten, wohltuend abseits vom totalen Eifer eines Claudel, im Geiste eines Pascal etwa. Und so werden sie immer wieder zitiert, ihren Worten und Schriften nach und nach persönlichen Begegnungen: Claudel also, Bernanos, Mauriac, Marcel und Camus, Green ist häufig bei Andre Gide, dem geistigen Widerpart der katholischen Literaturbewegung, die durch das massive Wirken Claudels, nochmals sei es auch hier gesagt, in eine oft zu grelle Kampffront gedrängt wird. Green läßt sein Interesse auch für die anderen Künste immer wieder in trefflichen Kurzabschnitten aufblitzen — er weiß über Moliere und Shakespeare zu urteilen, verweilt bei Montherlant und Cocteau, skizziert den genialen Christian Berard, die Filmleistungen Laurence Oliviers, streut immer wieder persönlich gefärbte Kommentare über Werke der bildenden Kunst ein, ist in der Musik ebenso zu Hause, zieht das zeitgenössische Fazit zu Wagner, zu Bach, zu Mozart.

Die Manier der Tagebücher ist alt, ist echt französisch und erreichte mitunter die Prädikatsberechtigung „Literatur“ i— bei Green ist es wieder beglückendes Faktum, wenn „das Tagebuch ein langer Brief ist, den sich der Verfasser selber schreibt...“

Zu rühmen bleiben auch, neben der vorbildlichen Ausstattung des Buches, die beigefügten Anmerkungen des vielfach bewährten Uebersetzers (Hanns von Winter), die, einem kleinen Literaturlexikon vergleichbar, mit Präzision und Sorgfalt zusammengestellt wurden, die man bei ähnlichen Skripten allzuoft schmerzlich vermissen muß.

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