Gedankenkreisen: Urlaub von sich selbst
Wie Menschen mit Depressionen mehr Abstand zur qualvollen Dynamik negativer Selbstbewertungen gewinnen können.
Wie Menschen mit Depressionen mehr Abstand zur qualvollen Dynamik negativer Selbstbewertungen gewinnen können.
Quälende Gedanken, die sich aufdrängen – umso heftiger, je mehr man versucht, davon Abstand zu nehmen. Das kennt wohl jeder aus eigener Erfahrung. Doch während es gesunden Menschen gelingt, diese negativen Gedankenschleifen zu überwinden, stecken Menschen mit Depressionen oft darin fest. „Rumination“ heißt dieses Phänomen in der psychiatrischen Fachsprache, was so viel wie „Wiederkäuen“ heißt. Erschreckend dabei ist, dass sich die depressiven Gedanken wie Tyrannen verhalten – sie dulden keinen Widerspruch: „Mein Leben ist eine Zumutung“, „Ich habe schon immer gewusst, dass ich Pech haben werde“ oder „Warum passiert das immer nur mir?“. So ähnlich geistert es durch den Kopf. Viele depressive Patienten sind sich dieser qualvollen Dynamik bewusst und verzweifeln daran.
Was hilft dagegen? Während es bei Gesunden oft nur ein bisschen Achtsamkeit braucht, um davon loszukommen, bedürfen Depressive meist einer medikamentösen Unterstützung, um dem mentalen Würgegriff zu entkommen. Von einer neuen Therapie berichtet nun eine klinische Studie, an der auch die Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie beteiligt war. Die Ergebnisse wurden jüngst am Kongress des „European College of Neuropsychopharmacology“ in Barcelona vorgestellt. Demnach verstärkt ein Nasenspray mit Ketamin die Wirkung herkömmlicher Medikamente bei schweren Depressionen. Ketamin ist ein bewährtes Betäubungsmittel in der Notfallmedizin. Interessanterweise führt es zu einem Zustand, der als „dissoziative Anästhesie“ bezeichnet wird: Die Patienten bleiben zwar bei Bewusstsein, werden aber vom Stress und Schmerz nach einem Unfall dissoziiert, also quasi „abgeschnitten“.
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