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Rotes Geld

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Schweizerische, deutsche und österreichische Diplomaten können sich an jedem beliebigen Dienstort, auch in der zweiten und dritten Welt, ihre Gehälter in Landeswährung auszahlen lassen. In Osteuropa freilich ginge das nur auf dem Kurierweg — der in Wien eingezahlte und angewiesene Betrag würde sich auf dem normalen Umtauschweg der rumänischen, tschechoslowakischen, polnischen oder ungarischen Bank als ziemlich wertlos erweisen. Wollte der gleiche Diplomat den gleichen Betrag in Gestalt von Schillingen im Land selbst unter dem Tisch tauschen — was gerade er selbstredend nicht riskieren kann —, so bekommt er in jedem Land Osteuropas gut und gern das Doppelte, in Polen und der UdSSR sogar das Dreifache dessen an Landeswährung, was die Bank ihm offeriert. Die Währungen der zweiten Welt haben keine eigene Wahrheit, allenfalls kann man nur von einer doppelten sprechen, die aber ein Widerspruch in sich selbst ist. Außenwert und Binnenwert von Mark der Deutschen Notenbank, von Kronen in der CSSR, Zloty in Polen, Forint in Ungarn, Lei in Rumänien, Lewa in Bulgarien und Rubel in der UdSSR klaffen verschieden weit auseinander. Nicht die bösen Touristen und Schwarzhändler aus dem Westen (oder aus dem eigenen Land) sind daran schuld, sondern die auf Devisen angewiesene Wirtschaft der sozialistischen Länder.

Dafür nur zwei Beispiele. Die DDR wirft Herrenanzüge zum Dumpingpreis von 12 DM auf den westdeutschen Markt, um, koste es, was es wolle, harte Währung zu bekommen. Oder: Touristen aus Osteuropa, die in den Westen fahren, müssen für die Devisen, die ihnen zugebilligt werden, reichlich doppelt so viel an Landeswährung bezahlen, als der Tourist aus dem Westen an den osteuropäischen Grenzübergängen für seine Devisen erhält. Und noch dies: Intersho, Tuzex und andere osteuropäische Staatsunternehmen, die im eigenen Land Waren aus dem Westen anbieten, um ihren Bürgern reichlich vorhandene Devisen aus der Tasche zu ziehen, machen die Diskrepanz des Einkaufswertes noch deutlicher. Kosten ein Paar Damenstrumpfhosen in der CSSR noch immer 30 bis 40 Kronen, den Gegenwert eines Tageslohnes von Frauen, so bezahlt man im Tuiex-Geschäft genau das, was sie im Westen kosten: zwischen drei und fünf DM oder Schweizerfranken.

Dem entspricht natürlich der begrenzte Aktionsradius der diversen osteuropäischen Währungen. Exportiert wird nur Ware, aber kein Geld, niemand im Westen interessiert sich dafür und die Banken besorgen es dem eventuellen Käufer nur über ausdrückliche Bestellung. Importiert werden dürfen Zloty, Kronen und Lei gleichfalls nicht. Obwohl sie ja schließlich aus den eigenen Staatsdruckereien stammen und irgendwann einmal den Weg nach Westen fanden, werden sie an den Grenzen wie „unerwünschte Ausländer') behandelt.

Sämtliche Staaten Osteuropas verlangen lieber einen Zoll in Währungen, die aus der doch angeblich so todkranken und wirtschaftlich absterbenden westlichen Welt stammen. Hinzu kommen hohe Visagebühren, in der DDR Straßengebühren, Benzincoupons und anderes — die Reisenden werden kräftig zur Kasse gebeten. Dann läßt man sie mit ihrem Häuflein eingehandelter Landeswährung unbehelligt und meist fragt man niemanden danach, auf welche Weise er sich durchbringt. In der CSSR kann man mit dem Pflichtumtausch für einen Tag gerade soviel Kronen bekommen, um eine halbe Nacht im Interhotel zu bezahlen. Die andere Hälfte und alles übrige, was zum täglichen Leben gehört, muß der Reisende aus einer der überall munter sprudelnden schwarzen Quellen finanzieren.

Osteuropas Währungen kennen nur die eine Wahrheit: im Wettlauf mit westlichen Devisen aufzuholen. In bald dreißig Jahren ist ihnen dies allerdings nicht gelungen. Nichts kennzeichnet besser die Fehlleistungen von Wirtschaft und Verwaltung, die dortzulande bestimmend sind.

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