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Kopfgeld für Osteuropäer

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Die UdSSR gibt sich alle Mühe, den Skandal um ihre enorme Dollarforderung an emigrationswillige Juden herabzuspielen. Kostenlos seien sie zu Akademikern ausgebildet worden — jetzt verlange der Staat eben nichts weiter als die Rückzahlung seiner Auslagen. Wieder einmal bewährt sich die Vermutung, daß der Mensch im Bereich des Marxismus nur soviel wert ist, als er zu leisten imstande ist. Der angebliche Humanismus Osteuropas entlarvt sich als primitivster Materialismus.

Es ist für die Juden der UdSSR, denen — nebenbei — der Besitz jeglicher Devisen strengstens verboten bleibt, ein schwacher Trost, wenn man sie darauf hinweist, daß auch die Trabantenstaaten nicht kleinlicher im Fordern sind. Die CSSR verlangt bereits seit Jahren bei legaler Auswanderung die Kosten, welche jedwede Ausbildung — und sei es nur in Fachschulen — verursachte, in vierstelligen Summen zurück. Nur der Verkauf sämtlicher Habe setzt die Auswanderer instand, diese Schuld zu begleichen.

In der DDR wurde und wird bereits seit Jahren die Errichtung der Mauer damit „begründet“, daß der Westen sich durch Abwertung qualifizierter DDR-Bürger bereichert habe. Die wenigen, welche auf dem Weg der Familienzusammenführung ihr Paradies der Werktätigen in den letzten Jahren verlassen konnten, wurden vorher, nicht weniger als die Genossen in der UdSSR, zur Kasse gebeten.

Die neueste Bestätigung dafür, daß in Osteuropa diese Art von

Sklavenhandel wieder auflebt, kommt aus Rumänien. Der angeblich außenpolitisch liberale Ceausescu läßt freiwillig niemand, der arbeitsfähig ist und eine Ausbildung bekam, gehen. Wenige Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Auf der anderen Seite hungern die Staatskassen aber nach Devisen. So entstand der Plan, Rumänen, denen gleichfalls jeglicher Devisenbesitz bei strenger Strafe untersagt Ist, gegen Zahlung von etwa viertausend Dollar (die Zahlen schwanken, tendieren aber eher nach oben) auswandern zu lassen. Da naturgemäß hierfür als „Käufer“ nur Bewohner des Westens in Betracht kommen, erlebt man bereits eine Flucht rumänischer Frauen mit Ausländern als potentiellen Interessenten, die alles, was man bisher in Osteuropa erlebte, weit in den Schatten stellt. Kopfgelder für Eierköpfe, Kaufprämien für Frauen — es fehlt nur noch, daß man die zurückgehaltenen Kinder ihren Eltern zum Kauf anbietet. Zumindest hierfür, das weiß man in Osteuropa besser als hier, sind überreichlich Interessenten im Westen vorhanden.

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