Das AKP-Vorbild für die arabisch-islamische Welt?

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In der Türkei selbst werden die trotz aller Unzulänglichkeiten funktionierende Demokratie, die starke Wirtschaftsentwicklung und auch das globale Gewicht ins Treffen geführt. Experten meinen, das türkische Modell habe die Tunesier und Ägypter bei ihrer Auflehnung gegen Rechtlosigkeit und Armut inspiriert. Der Nahost-Experte Semir Saliha ortete eine Art Eifersucht der arabischen Welt, die zum Transformationsprozess beigetragen habe.

Die arabische Welt verbindet freilich mit der Türkei konkrete Vorstellungen, in denen es nicht nur um Wirtschaft und Demokratie geht, sondern wo der Islam das dritte Kernelement darstellt. Dies ergab eine Studie, die in sieben arabischen Ländern und im Iran durchgeführt und jüngst in Ankara veröffentlicht wurde. "Das muslimische Erbe“ und "die erfolgreiche Mischung zwischen Islam und Demokratie“ waren für 66 Prozent der über 2200 Befragten ausschlaggebend.

Univ.-Prof. Meliha Altunisik meinte zu der Studie, der Aufstieg der AKP habe islamistische Gruppen in Nahost inspiriert. Zugleich stiegen die Sympathiewerte der Türken im arabischen Raum. In einer Befragung 2002 zählte die Türkei noch zu den vier unpopulärsten Nationen. Dass der tunesische Islamisten-Führer Rached Ghannouchi bei seiner Rückkehr aus dem Exil die AKP als Vorbild seiner Politik nannte, dürfte freilich nicht allen Türken gefallen haben.

Der Neo-Ottomanismus

In der Türkei ertönt aber auch Kritik an der Ausrichtung der Nahost-Politik der moderat-islamischen AKP-Regierung. Faruk Logoglu, türkischer Ex-Botschafter in den USA, wurde deutlich: Die Regionalpolitik Ankaras basiere auf Neo-Ottomanismus, "Null Problemen“ mit Nachbarn und Engagement für radikale Bewegungen wie Hamas und Hisbollah. "Was fehlt, sind Demokratie, Rechtssicherheit, Menschenrechte und Gleichstellung von Mann und Frau.“ Tatsächlich maß die Türkei mit zweierlei Maß, wenn es darum ging, zweifelhafte Potentaten zu unterstützen oder legitime Volksproteste in der Nachbarschaft zu ignorieren. Als es nach den Präsidentenwahlen im Iran zu Massendemos kam, schwieg die türkische Regierung, um ein Jahr später als Vermittler im iranischen Atomkonflikt aufzutreten. Im schiitischen Gottesstaat forderte Ankara keine partizipatorische Regierung wie jetzt im Fall Ägypten.

Pragmatismus statt Idealismus, so die Parole. Ein Kommentator präzisierte die Prioritäten der Türkei: mehr Handel mit den arabischen Staaten, strategische Allianz mit dem energiereichen Aserbaidschan, mehr Einfluss in Zentralasien. Den Grund für das Zögern, bis Premier Recep Tayyip Erdogan seine Standpauke gegen Hosni Mubarak losließ, sah ein Kommentator schlicht darin, dass sich die AKP wegen des eigenen Sündenregisters in Sachen Meinungsfreiheit nicht wohl in ihrer Haut fühle. Die Regierung agiere autoritärer, sagen säkulare Kritiker, spiele aber in einer anderen Liga als die Muslim-Bruderschaft.

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