Antike, Wut und komische Momente

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Vor, zu und nach dem Jahreswechsel haben Salzburgs Theaterhäuser mit sehr unterschiedlichen Uraufführungen und etabliertem Theater aufhorchen lassen: Jelineks "Wut" und "Ein ungleiches Paar" am Schauspielhaus, "Orfeo2" und "Die Ilias" am Landestheater.

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Vor, zu und nach dem Jahreswechsel haben Salzburgs Theaterhäuser mit sehr unterschiedlichen Uraufführungen und etabliertem Theater aufhorchen lassen: Jelineks "Wut" und "Ein ungleiches Paar" am Schauspielhaus, "Orfeo2" und "Die Ilias" am Landestheater.

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Das Salzburger Landestheater und das Schauspielhaus Salzburg setzen auch im neuen Jahr auf Novitäten. Während das Schauspielhaus Elfriede Jelineks "Wut" anbietet, wartet das Landestheater mit "Orfeo2 auf. Die dramatische Kantate "The Orphic Moment" des in den USA hoch gepriesenen jungen Komponisten Matthew Aucoin wird als europäische Erstaufführung mit Christoph Willibald Glucks "Orfeo ed Euridice" zusammen gespielt. Aucoin selbst wird bei der Premiere das Mozarteumorchester dirigieren, die Titelpartie ist dem Countertenor Anthony Roth Costanzo anvertraut.

Im "Orphic Moment"

Die Geschichte ist bekannt: Orpheus steht am Scheideweg seiner Existenz, vor ihm - in Aucoins Fassung - Freiheit und Glück mit der Geliebten, der Blick zurück verheißt Leid und Tod. Dieser Moment der Entscheidung wird im "Orphic Moment" wie in der ersten großen Reformoper Glucks zwischen Barock und Klassik der Brennpunkt sein. Aucoin spricht von der Entlarvung von Orpheus' narzisstischer Antriebskraft.

Vor, zu und nach dem Jahreswechsel haben Landestheater wie Schauspielhaus mit Uraufführungen und etabliertem Theater aufhorchen lassen. Das Schauspielhaus hatte sich mit seinem Auftragswerk an Jérôme Junod in einer interessanten Aufführung um den 500. Todestag des niederländischen Malers Hieronymus Bosch bemüht und ging mit dem von Robert Pienz sorgfältig geführten Ensemble auch auf Tournee.

In der Kammer des Schauspielhauses war bis vor kurzem Henrik Ibsens "Hedda Gabler" zu sehen, in einer stark filettierten Fassung der Regisseurin Charlotte Koppenhöfer. Alexandra Sagurna war darin die eiskalt-direkte Hedda.

Der Antike verschrieben hat sich Carl Philip von Maldeghem mit der Collage "Die Ilias" am Landestheater. Etwa 16.000 Verse der 24 Gesänge des Homerischen Epos hat er komprimiert, um den Krieg der Götter und der Menschen vor Troja zu schildern. Die Arbeit ist darüber hinaus eine dramatische Reflexion über Krieg als mögliche Triebfeder menschlichen Handelns; er besitzt in unseren Tagen die gleiche aktuelle Grausamkeit wie vor 3.000 Jahren in Homers Poem, das 51 Tage eines zehnjährigen Krieges schildert. In ihm spielen die Götter eine ebenso unrühmliche Rolle wie die Menschen.

Als Götter, Griechen und Trojaner steht das gesamte Schauspiel-Ensemble auf der Bühne. Griechisch-Schüler waren von dieser Art Unterricht mit Zeitbezug höchst angetan. Und nicht nur sie ließen sich von diesem Abend überzeugen. Nie wieder Krieg? Eine Illusion? Eine Illusion.

Daran schließt thematisch das Schauspielhaus mit Elfriede Jelineks "Wut" an, einem Text über Terror und Gewalt. Woher rühren Hass und Verblendung? Und welcher Gott lässt so etwas zu? Jelinek schreibt ins Verdrängte und Unbewusste, vom antiken Mythos zu den aktuellen Nachrichten, "vom rasenden Herakles bis zum modernen Selbstmordattentäter" spannt sie den Bogen ihrer Erzählung.

Höchst unterhaltsam

In wahrlich explosiven Zeiten wie diese, in denen man, so politische Heilsprediger, "normal" und unbeirrt weiterleben soll, ist es nicht unmoralisch, sich auch der "leichteren" Schauspielkunst zuzuwenden, wie dies gerade im Schauspielhaus möglich ist. Dort gibt man die Komödie "Ein seltsames Paar" von Neil Simon. Wer den Film kennt, schwärmt von Jack Lemmon und Walther Matthau. Chefdramaturg Christoph Batscheider hat sich der Komödie angenommen. Komödie? "Ein düsteres Stück über zwei einsame Männer", sagte Simon selbst, "mit komischen Momenten".

Vier Poker-Typen kommen regelmäßig bei Oscar zum Spielen zusammen. Die Acht-Zimmer-Wohnung ist vernachlässigt bis zum Exzess, bis Felix vermisst wird, weil er nicht pünktlich zur Kartenrunde erscheint. Die Freunde vermuten sogar Selbstmord. Felix, von seiner Frau hinausgeworfen, lässt dann zu guter Letzt den großen Saubermann und Koch als Partner in Oscars Wohnung heraushängen. Über diese Pokerrunde, die das übersensible, liebenswerte Redhaus Felix, diese Nervensäge, akzeptiert und der schließlich von zwei Nachbarinnen "geheilt" wird, hat man gut zwei Stunden zum Lachen - auch über sich selbst. Denn irgendetwas von der eigenen Biographie ist immer dabei.

Christoph Batscheider, ein überaus genauer und konsequenter Regisseur, hat mit Martin Brunnemann als Oscar und Antony Connor als Felix ein wirklich seltsames Paar zusammengespannt. Wer den Film nicht kennt und auch wer ihn kennt, ist mit dieser höchst unterhaltsamen Aufführung auf der Gewinnerseite des Pokerquartetts.

Orfeo2

Landestheater, 22., 24., 26. Jänner

Wut

Schauspielhaus., 21.24.27. Jänner

Ein seltsames Paar

Schauspielhaus, 22., 25., 26. Feb.

Die Ilias

Landestheater 21., 14.,19. Feb.

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