Sweet and heavy dreams

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Ravels "Bolero" und Hochhuths "Nachtmusik": Zwei Premieren in Salzburg.

Ein kolumbianischer Flughafen ist realer und irrealer Drehort für einen Film, dessen Protagonisten - in Abwandlungen - aus Arthur Schnitzlers "Reigen" heraustanzen: "Einsame, Schwärmer, Traurige und Narren" sind es, notiert Christian Martin Fuchs zu diesem von ihm mit dem Ballettchef Peter Breuer geschriebenen Buch für jenes Ballett, das am Salzburger Landestheater seine Uraufführung erlebte. Maurice Ravels "Bolero" gibt der Produktion den Namen - die Masken all unserer Verstellungen fallen im orgiastischen Finale.

Fuchs und Breuer fragten, wie es denn sein würde, wenn die flüchtigen Beziehungen und die Personen des "Reigens" unter der Regie und Autorschaft von Art (=Schnitzler) alle gleichzeitig aufeinander träfen. Art lässt lieben und leiden und töten, und mit einem Mal wendet sich der Drehort zum Kosmos allen Lebens, von Glück und Verderben. Beinahe ein Märchen für Erwachsene, in dem die Menschen aufeinander warten und sich voneinander entfernen - "sweet dreams are made of this" liest man dazu im Programmheft.

Peter Breuer, der mit dieser Produktion sein 40-Jahre-Bühnenjubiläum feiert, hat seit 1991 mit vielen großartigen eigenen Choreographien die Truppe an internationalen Standard herangeführt. Wenn man dieses Mal nur Aline Melis, Cristina Uta, Maurizio Montis und Jesper Windisch nennt, tut man den anderen Mitgliedern des Ensembles Unrecht, denn alle haben Anteil an diesem fulminanten Ballett, das Klassik und Moderne, Spitze und Ausdruck gleichermaßen verbindet.

Weniger glücklich war man mit der deutschsprachigen Erstaufführung von Rolf Hochhuths "Nachtmusik", der ersten Schauspielpremiere im Haus an der Schwarzstraße. Das "Requiem für drei Personen in zwei Bildern" geht von Francis Carrs "Mozart und Constanze" aus (die Quellen reichen weit zurück), wo eine Liaison zwischen Mozart und Magdalena Hofdemel, der Gattin eines angesehenen k. k. Justizbeamten ausgebreitet wird. Ins Spiel kommt die Aqua Toffana-Variante für Mozarts Tod, den Franz Hofdemel vergiftet haben soll, als er von der Beziehung seiner Frau erfährt. Hofdemel versucht, seine Frau zu töten, was misslingt, und bringt sich dann selbst um. Magdalena erbittet von Kaiser Leopld das kirchliche Begräbnis für den Selbstmörder zu ermöglichen. Diese Audienz mit all ihren Enthüllungen ist der zweite, der bessere Teil des Stücks.

Michael Worsch hat sich mit Erfolg dieses teilweise historisch belegbaren Sujets angenommen. Doch auf der großen Bühne des Hauses sind die auf den Kammerton abgestellten Dialoge, die zudem unterkühlt präsentiert werden, was dem Stück gut tut, oft akustisch nicht verständlich. Die Gabe, überall verstanden zu werden, beherrscht glücklicherweise Wolfgang Kraßnitzer als Kaiser. Elegant: Bühnenbild und Kostüme von Amra. Höflicher Premierenapplaus für den anwesenden Rolf Hochhuth, mehr Zustimmung für den Regisseur sowie Gudrun Tielsch und Markus Vollenklee.

"Man muss mit der Zeit gehen". Diesen Satz aus Eugene Ionescos Schauspiel "Die Nashörner" nahm Regisseur Andreas Doring zum Leitmotiv seiner Inszenierung dieses Stücks absurden Theaters an der Salzburger Elisabeth-Bühne. Die Aufforderung, so zu werden wie die andern, zu mehr oder weniger totaler Anpassung, bedarf heute wohl gewisser Adaptierungen, die Gefährdung ist aber auch in der Epoche der Singularität die gleiche.

Man kann das Stück nun in die Groteske überdrehen, man kann versuchen, Realität und Irrealität zu mischen, das Leben als Traum zu erzählen und hinterher die Geschehnisse als "seltsame Geschichte" zu decouvrieren, nur hat Doring sich leider nicht konsequent für eine Variante entschieden. Am meisten überzeugte Marcus Marotte als Hans, während der allzu leichtfüßig von Harald Fröhlich dargestellte Behringer gegen die Vermassung als Rhinozerus immun bleibt. Zu bedauern ist Verena Saake als hysterische Daisy.

So erfreulich und notwendig die Wiederbegegnung mit diesem Klassiker der Moderne ist: für einen überzeugenden Auftakt einer Spielzeit ist die Inszenierung zu wenig überzeugend.

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für einen überzeugenden Auftakt einer Spielzeit ist die Inszenierung zu wenig überzeugend.

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