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Einst galt in China die Seidenstraße als gefährlicher Karawanenweg zu den Hu, den "westlichen Barbaren". In der Gegenrichtung breitete sich gleichzeitig der Buddhismus bis tief in das "Reich der Mitte" aus.

Links sehen Sie die "flammenden Berge." Unterwegs in der Turfan-Oase zum ehemaligen buddhistischen Höhlenklöster Bezeklik, zeigt der Führer auf etwas entlegen sichtbare, tief zerfurchte rötliche Berghänge und gibt eine kurze Erklärung. Für weitere Fragen bieten sich dann in Bezeklik die neuen, Tourismus-gerechten plastischen Darstellungen jener Figuren an, die mit der Legende von den "flammenden Bergen" im Zusammenhang stehen. Man wird beziehungsweise sollte nun erfahren, dass der chinesische Pilger Xuanzang während seiner weltberühmten Pilgerfahrt in den Jahren 629 bis 645 über die Seidenstraße nach Indien (und zurück) von jenen "flammenden Bergen" aufgehalten worden sei, bis sein Beschützer, ein zauberkundiger, purpurfarbener Affe namens Sun Wukong, "der zur Leere erwachte Affe", mit Hilfe eines riesigen Fächers den Brand ausgelöscht habe. Dabei habe er sich seinen Schwanz verbrannt, weshalb alle Affen einen roten Hintern hätten. Erzählt wird das alles, gern ergänzt vom Führer mit der "Schwanzverbrennung", im sehr phantastisch, aber auch zeitkritisch ausgerichteten Roman " Reise in den Westen" des Wu Zhang-an aus dem 16. Jahrhundert. Dieses Werk gehört zu den wichtigsten Büchern in der chinesischen Literaturgeschichte, und Abschnitte daraus werden immer wieder in Darbietungen chinesischer Operngruppen vorgeführt. Hauptdarsteller ist dann stets der akrobatisch herumspringende Affe.

Die damaligen Vorstellungen der Chinesen von der "Seidenstraße" waren sehr zwiespältig. Man konnte zwar sehr gut Handel betreiben, Seide und anderes exportieren und wichtige Güter importieren, aber es war eine "Straße" in den "wilden Westen", zu den Hu, den "westlichen Barbaren", deren Aktionen sich immer wieder sehr unangenehm auf die Geschicke Chinas auswirkten.

Heute sieht es natürlich anders aus, denn wir, quasi Nachfahren der "weiter westlichen Barbaren", sind als Touristen willkommen, so lange wir uns nicht mit dem Autonomie- oder gar Unabhängigkeitsstreben der heutigen Hu in Chinas Westen, dem islamisierten Turkvolk der Uiguren, solidarisch erklären. Freilich, kaum ein Tourist wird darauf viele Gedanken verschwenden.

Touristisch tut sich bereits viel auf der ehemaligen Seidenstraße durch das Talimbecken in der chinesischen Provinz Xinjiang (Sinkiang). Nirgends kann man die alten Wege so gut wiederbereisen wie dort, wo die große Wüste im Zentrum des Beckens, die Takla Makan, die Zweiteilung der Handelswege in eine nördliche und eine südliche Umgehungsroute erzwingt. Die Straßenverbindungen und das Hotelwesen sind bereits gut ausgebaut, und die Eisenbahn dringt wohl schon bald - von Urumtschi kommend - bis nach Kashgar vor.

Von diesen beiden Routen zwischen Kashgar im Westen und Dunhuang im Osten bietet sich die nördliche als die viel interessantere an. Dort gibt es eine lange Reihe von oft großen, ehemals buddhistischen Höhlenklöstern, während die gebauten Klosteranlagen an der Südstrecke nur von Archäologen erschlossen werden können.

Bis etwa zum Ende des 1. Jahrtausends n. Chr, als der Islam einbrach, war der Buddhismus eine alles beherrschende religiöse Bewegung in Xinjiang, nachdem er bald nach Christi Geburt zum "großen Sprung" vom damaligen Nordwestindien nach Zentralasien angesetzt hatte. Bereits im 5. Jahrhundert war der Buddhismus auch tief in China eingedrungen, hatte zu ersten Arbeiten an den letztlich riesigen Klosterhöhlenanlagen etwa in Yüngang westlich von Beijing geführt. Die vielen Klöster an der Seidenstraße florierten, denn sie befriedigten spirituell das grosse Schutzbedürfnis der vielen reisenden Kaufleute, die sich jenen Schutz mit reichen Stiftungen zu verschaffen suchten. Es muss eine geradezu unglaubliche, vielleicht sogar hektische Aktivität im Errichten von buddhistischen Kultstätten an jenem Teil chinesischen Teil der Seidenstraße gegeben haben.

Vieles davon ist erhalten - vor allem natürlich in den Höhlenanlagen entlang der Nordroute, wie besonders bei Kutscha und im großen Gebiet von Turfan, wo sich auch die Reste von einst mächtigen städtischen Anlagen finden. Allein in Kizil bei Kutscha zählt man 236 Höhlen, von denen an die 80 reich ausgemalt und somit Kulthöhlen waren. Im Osten jenes Raums, in Dunhuang, wo sich (theoretisch gesehen) die beiden Routen wieder vereinigten, entstand im Lauf eines Jahrtausends ab dem 5. Jahrhundert mit fast 500 Höhlen das größte uns erhaltene buddhistische Höhlenkloster, was Wandgemälde und figürliche Ausstattung betrifft Die dort wiedergegebene buddhistische Vorstellungswelt, die von ikonoklastischen Aktionen "westlicher Barbaren", dieses Mal islamisierter Volksgruppen, verschont geblieben war, überwältigt in ihrer Eindringlichkeit, wobei es in erster Linie - somit auch im Buddhismus möglich - um das Vorgaukeln paradiesischer Lebensumstände im Jenseits geht.

Weniger "paradiesisch" kommt es auf den weniger jen- als diesseitig orientierten Touristen zu, wenn ihm die Obrigkeit sein "zweites Ich", die Foto- oder Filmkamera, abnimmt. "Kameraschüsse" werden in China fast schon als Attacken auf nationales Kulturgut empfunden. Zu viel ist einfach von uns "Barbaren" in China geplündert worden.

Die Schätze der Seidenstrasse sind erst seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt, als vor allem deutsche und britische Expeditionen den Raum erforschten Die deutschen Unternehmungen, die vier sogenannten "Turfan-Expeditionen" (1902-14), brachten besonders viel ein, und dies sowohl in Kenntnissen wie in abgelösten Wandgemälden und ausgegrabenen Skulpturen. Die reiche Sammlung, durch Kriegsverluste um etwa die Hälfte reduziert, befindet sich im Museum für Indische Kunst in Berlin.

Geschichte der Seidenstrasse

Unter der "Seidenstraße", ein im späten 19. Jahrhundert von Ferdinand von Richthofen erstmals geprägter Begriff, versteht man eine weit verzweigte Karawanenstraße, die den mediterranen Raum über Persien, Mittelasien (Balch, Samarkand) und das Tarimbecken (Nordroute oder Südroute) mit den chinesischen Kaiserstädten Changan (Xian) oder Loyang verband.

Der wichtigste Zweig führte von Balch in Nordafghanistan über Bamian nach Indien, ein weiterer von Kashgar oder Yarkand über den Pamir und den Karakorum nach Indien. Der weiträumige Handel mit Seide und anderen Luxusgütern blühte vor allem im ersten Jahrtausend n. Chr., bis schließlich der Seeweg eine größere Bedeutung erlangte.

Schätze der Seidenstrasse in Wien

Gegenwärtig ist im Museum für Angewandte Kunst Wien eine kleine, aber hochwertige Ausstellung über den chinesischen Teil der Seidenstraße zu sehen.

Bis zum 26. Mai sind unter dem Titel "Fremde - Kunst der Seidenstraße" 19 Objekte aus der Berlin Sammlung ausgestellt. Sie vermitteln einen kleinen Einblick in eine an sich riesige Welt, sowohl räumlich wie kulturell gesehen, und man sollte diese Ausstellung wirklich nicht versäumen.

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