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Das Feld der Hirten von Bethlehem festgestellt

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Das Ergebnis der zweiten Ausgrabungskampagne des Franziskaner-Archäologen Pater Virgilio Corbo, das Soeben veröffentlicht wurde, bedeutet die endgültige Lösung eines interessanten Problems der biblischen Topographie, der umstrittenen Lage der byzantinischen Kirche auf dem Felde bei Bethlehem, wo den Hirten die Heilsbotschaft zuteil wurde.

Seit der Kreuzfahrerzeit wird diese Stätte, eine halbe Stunde nordöstlich von Bethlehem, beim Dorfe Beit Sahur, mit der Felsengrotte Deir er Rawat identifiziert. Vor fast genau hundert Jahren aber, 1851, sprach sich Guer-mani zugunsten der formlosen Ruine Sijar el Ghanem (der Schafstall) aus, die ungefähr 500 m nördlich liegt. Er erklärte Deir er Rawat = Kloster der Hirten, als Korruption von Deir er Raut = Kloster Ruths, das er als eine Gedenkstätte auf dem traditionellen Feld des Boaz erklärte. Die neuen Ausgrabungen der Franziskaner haben die Theorie Guer-manis voll bestätigt.

Bei den Grabungen von 1951 und 1952 wurden Ruinen aus drei Epochen entdeckt. In ausgedehnten natürlichen Höhlen Würden Münzen Und Scherben gefunden, die beweisen, daß diese Höhlen in der herodianischen Aera, der Zeit Christi, von Hirten ebenso vorübergehend bewohnt waren, wie noch heute die Hirten Palästinas natürliche Höhlen im Winter als Unterkunft für sich und ihre Herden benutzen.

Ueber diesen Höhlen fanden sich die Reste einer kleinen Kirche des vierten Jahrhunderts, der Zeit der ersten Kirchenbauten im Heiligen Land unter der Kaiserin Helena. Darüber entstand im sechsten Jahrhundert ein großes Kloster mit einer monumentalen Kirche, in welche, das ist klar bewiesen, wesentliche Bauteile der ' gleichzeitig von Justinian demolierten und großartig erneuerten Constantinischen Basilika Bethlehems neu verbaut wurden. Dieses bzyantinische Kloster auf dem Felde der Hirten wurde im siebenten Jahrhundert zerstört, wahrscheinlich während des Einfalls der Perser, und nicht wiederaufgebaut. Die Tradition wurde auf das nahe Kloster der Ruth übertragen.

Sijar el Ghanem entspricht in seiner beherrschenden Lage der uralten Tradition, welche das Hirtenfeld mit Migdal Ader, dem Herdenturm, identifizierte, wo Jakob nach Raheis Tod seine Zelte aufschlug. Die Ruinen entsprechen völlig den Beschreibungen, die wir St. Hieronymus und dem Pilger Arculf verdanken. In den Tagen des Hieronymus hatte das Hirtenkloster seine Glanzzeit. Hier wurde das Offizium der „Prim“ eingeführt, das bald darauf in allen Klöstern der Christenheit bei Tagesanbruch gesungen wurde. Unter den berühmten Mitgliedern dieser Klostergemeinde war auch der Gallier Johannes Cassianus, der um das Jahr 400 die Erlaubnis erhielt, das Hirtenklostcr zu verlassen, vom heiligen Chrysostomus in Konstantinopel zum Priester geweiht wurde und 415 in Marseille das noch heute bestehende Kloster St. Victor gründete.

Es ist daher anzunehmen, daß man heuer zu Bethlehem die Weihnachtspsalmen schon an dieser neu bewiesenen alten Stätte singen wird. Die Ausgrabungen der Franziskaner haben das Heilige Land um eine Pilgerstätte bereichert, deren Tradition in die Urtage der Christenheit zurückreicht. Es scheint erwiesen, daß um Christi Geburt Hirten gewohnheitsmäßig in dieser Grotte bei Bethlehem Zuflucht fanden, genau so, wie es erwiesen ist, daß der große Stützpfeiler der Begräbnis-

stätte auf dem Jerusalemer Blutacker aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert stammt. Ob dieser Pfeiler mit den „dreißig Silberlin-gen“ erbaut wurde, ist ebenso unbeweisbar wie die Annahme, daß in der Weihnacht die Hirten in der Höhle von Sijar el Ghanem lagerten. Immerhin, die Stätte ist nun über jedem Zweifel wiedergefunden, an der nach der Ueberlieferung den Hirten die Heilsbotschaft zuteil wurde.

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