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MINISTER a. D. JOSEF KRAUS / BAUER AUS KRONBERG

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In dem, im niederösterreichischen Weinviertel, nicht allzuweit vor den Toren Wiens gelegenen Ort Kronberg war diese Woche großer Festtag. Inmitten seiner Familie feierte am 23. Februar der Bauer Josef Kraus seinen 70. Geburtstag. Der Bauer Josef Kraus? Ist das nicht zu despektierlich? Ziemt es sich nicht vielmehr, von dem Präsidenten des Österreichischen Bauernbundes, dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft während vieler und schwierigster Jahre, dem bekannten und anerkannten österreichischen Agrarpolitiker zu sprechen? Alle diese hohen und höchsten Ämter schließen jedoch das erstere nicht aus; vielmehr macht es die Eigenart und die Stärke Josef Kraus' aus, daß er, wo immer er stand, zeitlebens der Bauer aus Kronberg geblieben ist.

Der politische Weg von Josef Kraus begann mit seinem sechzehnten Lebensjahr. Durch Selbsterziehung und Weiterbildung brachte es der Kronberger Bauernsohn so weit, daß er schon in so jugendlichem Alter als Genossenschaftspionier in Erscheinung treten konnte, bald aus der richtigen Erkenntnis der gegebenen Lage heraus in der Umgebung seines Heimatortes Milchgenossenschaften zu gründen begann. „Ich bin auf der Milch in die Politik geschwommen“, bemerkt rückschauend Minister a. D. Kraus, nicht ohne ein verschmitztes Lächeln. Der erste Weltkrieg, in den er als Sachsen-Dragoner zieht, unterbricht, aber hemmt nicht diesen Werdegang. In den turbulenten Nachkriegsjahren, in denen die Milchversorgung der nahen Großstadt im Mittelpunkt vieler wirtschaftlicher Diskussionen und politischer Kämpfe steht, gewinnt Kraus' Pionierarbeit an Gewicht, das Werk breitet sich aus. Kraus steht neben seiner politischen Tätigkeit in diesen Jahren im heimatlichen Kronberg mit der Schaufel in der Hand. Er legt selbst Hand an den Bau des kleinen Anwesens, das er 1925 nach seiner Heirat mit seiner Frau bezieht. Die Tatkraft, mit welcher Josef Kraus die bäuerlichen Interessen in der Öffentlichkeit vertritt und verteidigt, führen ihn bald als Abgeordneten in das niederösterreichische Landhaus und dann in den österreichischen Nationalrat. 1934 wird der niederösterreichische Bauernführer in den Staatsrat entsendet. Nach der Okkupation Österreichs im Jahre 1938 verhaftet, zieht sich Kraus nach seiner Freilassung auf seinen Hof zurück. Es war nur natürlich, daß dieser gut österreichische katholische Bauer von vornherein mit in den Kreis jener Männer gehört, welche sich schon während der Herrschaft des Nationalsozialismus über das „Nachher“ Gedanken machten.

So ist es beinahe selbstverständlich, daß wir 1945 Josef Kraus bei der Bildung der provisorischen Regierung Dr. Renners in der Zweiten Republik Österreichs als Staatssekretär für Volksernährung und nach dem Ausscheiden des Ministers a. D. Buchinger aus der Regierung im September 1945 als Leiter des Staatsamtes fjir Landwirtschaft begegnen. Bei der Bildung des Kabinetts lug. Dr. Figls nach den Wahlen 1945, wird ihm das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft übertragen, das er neben anderem in schwierigsten Zeitläufen bis 1952 führt. Die Beamten des damals im alten Hotel Hammerand in der Florianigasse (heute: Finanzamt) untergebrachten Landwirtschaftsministeriums erinnern sich noch, wie in den Hungerjahren nach dem großen Krieg alljährlich vor Weihnachten ihr Ressortchef sich mit- einer großen Waage bewaffnet nach Dienstschluß in sein Dienstzimmer zurückzog. Dort stand der Bundesminister und wog eigenhändig gerecht kleine Weihnachtsgeschenke in den begehrten „Naturalien“ für seine Mitarbeiter ab.

Das war Josef Kraus als Minister. Das ist der Bauernführer als Politiker — e> war zuletzt entscheidend an den Gesprächen über die Bildung der Bundesregierung im Sommer 1959 eingeschaltet — bis auf den heutigen Tag: der ehrliche Makler, der gerechte Hausvater. —Hik.

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