Im Inneren der "Blauen Blase"

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Das Grazer Kunsthaus: Grandiose Architektur erschwert Konzentration auf die ausgestellte Kunst.

Unter den neuen Museumsbauten der letzten Jahre ist das Grazer Kunsthaus, was den zeichenhaft symbolischen Aussagewert betrifft, zweifellos das Spektakulärste. Ein so poppig-skulpturaler Bau wie die "blaue Blase" stellt eine Extremposition an Museumsarchitektur dar - und macht Österreich nicht nur für Architektur-Touristen interessanter, sondern belebt die besonders seit dem Bau des Wiener Museumsquartiers geführte Diskussion über das Verhältnis von Architektur und der darin präsentierten Kunst.

Blickt man vom Schlossberg auf das Murufer, so erscheint der "Friendly Alien", wie die Architekten Peter Cook und Colin Fournier ihr Gebäude nennen, wie ein überdimensionales menschliches Organ, das seine rüsselartigen Ausstülpungen nach oben gerichtet hat, so als würde es nach seiner Landung von einem anderen Planeten die Verbindung nach oben nicht ganz aufgeben wollen. Der amorphe Bau hebt sich mit seinen weichen Formen von der Barock- und Historismusarchitektur der Umgebung ab und passt doch so gelungen in das Ensemble, dass man sich kaum vorstellen kann, er sei irgendwann nicht da gewesen. Besonders die Integration des "Eisernen Hauses", einer historistischen Gusseisenkonstruktion von 1847, gehört zu den beeindruckendsten Leistungen des Architektenteams. Hier wird beispielhaft sichtbar, wie historische Substanz mit zeitgenössischer Architektur verbunden werden kann, ohne dass sich eines dem anderen unterordnen muss. Im Gegenteil: Die Qualität des "Eisernen Hauses" wird durch das "Andocken" der visionär-utopisch geprägten Architektur von Cook/Fournier aus dem Geist der sechziger Jahre (Cook war Mitbegründer der legendären Architektengruppe "archigram") erst richtig sichtbar. Umgekehrt bildet die GlasEisen-Architektur einen visuell reizvollen Kontrast zur blaugrünen Plexiglasoberfläche des neuen Baukörpers.

Der skulpturale eigenwillige Charakter der Außenform setzt sich im Inneren fort. Hier stellt man als Besucher aber andere Anforderungen, denn schließlich handelt es sich um mehr als eine Architekturikone. Nachdem die ursprünglich geplante transparente "Haut" aus bautechnischen und finanziellen Gründen einer undurchsichtigen Oberfläche aus Plexiglasplatten weichen musste, sieht es innen relativ düster aus. Das fehlende Tageslicht lädt nicht unbedingt zum Verweilen ein. Die gewölbte Außenfläche prägt auch den Innenraum, in dem es keine geraden Wände gibt, was die Hängung von zweidimensionalen Arbeiten oder die Befestigung von Projektionsflächen schwierig macht.

Ästhetisch bestimmend sind in der oberen Ausstellungsebene die düsenförmigen Ausstülpungen der "Nozzles". Nur eine bietet eine reale Verbindung nach außen. Von ihr blickt man durch ein Glasfenster auf den Schlossberg mit dem Uhrturm - die Stadt wird zum Bild. Genauso bestechend ist die Aussicht von der "Needle", einem verglasten vor die "Blase" gelagerten Balkon. Hier beobachtet man wie in einem Film das bewegte Grazer Stadtleben.

So wird deutlich: Dieses Museum betrachtet man bevorzugt von außen. Ist man im Innenraum, so sucht man sogleich die Verbindung nach draußen. Als Ausstellungsraum ist es ausgesprochen schwierig zu bespielen. Problematisch sind nicht nur die fehlenden geraden Wände, sondern auch die dominante Architektur und das bedrückende Raumgefühl. Zwar bekommt man eine galaktische Atmosphäre vermittelt, zugleich wird die Konzentration auf die Kunst erschwert. Direktor Peter Pakesch hat zwar mit der Eröffnungsausstellung "Einbildung - Das Wahrnehmen in der Kunst" demonstriert, dass sich in diesem Haus doch gelungene Ausstellungen realisieren lassen. Allerdings hat er das Thema, in dem es um die Betrachtung von Kunst und das Spiel mit optischen Täuschungen geht, so geschickt gewählt, dass es sich bestens in die Formensprache des Hauses fügt. Nicht jede Schau kann sich dem Gebäude so anpassen; eine Ausstellung mit steirischen Größen wie Günter Brus oder Herbert Brandl kann man sich hier nur schwer vorstellen. Peter Pakesch gibt sich dennoch zuversichtlich und empfindet diesen "neuen Raumtypus" als "schwierige, aber auch sehr reizvolle Aufgabe". Ob er diese Herausforderung in den nächsten Jahren so gut wie bei der Eröffnungsschau meistert, wird sich weisen. Ansonsten kann ja immer noch umgebaut werden. Es wäre nicht das erste Museum hierzulande, wo bereits kurz nach der Eröffnung die Praxis gezeigt hat, dass architektonische Visionen nicht immer mit der Ausstellungsrealität kompatibel sind.

Kunsthaus Graz, Lendkai 1, 8020 Graz

Information: www.kunsthausgraz.at

"Einbildung - das Wahrnehmen in der Kunst", bis 18. 1. 2004

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