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Digital In Arbeit

Des Teufels „Utopia“

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Die Utopie ist die Lust ihrer Erfinder und der Schmerz jener, die gut oder schlecht genug befunden werden, sie zu verwirklichen. Prachtvoll sehen sie aus, auf dem Papier, jene Traumstaaten und Traumstädte, die der Griffel des genialen Fanatikers zuerst an die Wand malt. Mustertypen der Ordnung sind sie, maschinisiert, technisiert, reglementisiert, egalisiert: im Bau der Häuser, im Plan der Arbeit, in der Gestaltung der Freizeit. Allen gemeinsam eigen ist eine drakonische, wissenschaftliche Auswertung des Menschen und seiner Arbeitskraft, die „Steuerung seiner „Vergnügungen , und deshalb verpflichtend für alle: eine harte, spartanische Arbeitsund Lebensmoral.

Gebunden in Saffianleder, mit Goldschnitt und blauem Seidenband als Lesezeichen, nahmen 6ie sich nicht übel aus in den Mahagonisdiränken der Vergangenheit. Umschirmt von Stacheldraht, behütet durch Dienstverpflichtungen und Polizeiordnungen, gleichen ihre Verwirklichungen heute die Industriestadt in totalitären Ländern immer mehr den „Lagern an.

Durch die ungarische Presse geht ein Erlaß des Polizeikommissärs von Stalinstadt (Sztalinvaros, früher Dunapentele):

„1. Es ist verboten, bei Tageslicht an öffentlichen Orten Zärtlichkeiten auszutauschen. 2. Die Arbeiter werden aufgefordert, auf ihren Arbeitsstätten in dezenter Kleidung zu erscheinen. 3. Veranstaltungen zur Förderung von Liebschaften (Orgien) sind sofort einzustellen.

So also sieht das Kloster der Zukunft aus: in dem der Vergangenheit unterwarf sich der Mensch in Freiheit einer strengen Disziplin, zur Ehre und im Dienste seines Gottes. Das neue Kloster unterwirft den Menschen in Unfreiheit einer viel härteren Zucht, zur Ehre und im Dienste des Leviathans. Auch ein Grund für die Aufhebung der alten Klöster in den Volksdemokratien: die Freiheit und Menschlichkeit des Lebens in ihnen könnte als abschreckendes und verführerisches Beispiel dienen, für die gezwungenen Ser- vanten der neuen Dienste.

Ein Grund vielleicht zum Nachdenken für manche Menschen hierzulande; die nicht wissen, „wozu Klöster heute noch gut sind ! vielleicht lehrt diese Imitation und Verkehrung sie, einen Augenblick daran zu denken, was verlorengeht, wenn der Mensch ganz und nur mehr sich selbst allein sein will. Ohne Gott. Im totalen „Menschsein . Im totalen Gefängnis.

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