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Der Mönch Thomas Merton:Fotoapparat als Instrument achtsamer Kontemplation.

Ich bin die Chimäre des Jahrhunderts." Mit diesem niederschmetternden Satz bilanzierte einer der "erfolgreichsten" Mönche des 12. Jahrhunderts, Bernhard von Clairvaux, sein Leben. Sein Einfluss wirkte weit über sein Jahrhundert hinaus, die große Familie der zisterziensischen Orden zehrt bis heute von seiner mystischen Theologie. Stets suchte Bernhard einen Standpunkt mit Blick von außen auf die Welt einzunehmen und mit gleicher Stetigkeit wurde er aber paradoxerweise in die Politik des Weltenlaufes verstrickt. Ein starkes Echo dieser, vordergründig betrachtet, widersprüchlichen Existenz lebte im zwanzigsten Jahrhundert Thomas Merton. Auch er hatte als Eremit, der als Mitglied der Trappistenabtei Gethsemani zurückgezogen in den Hügeln von Kentucky lebte, mehr und intensiveren Kontakt mit den Menschen als während seiner Studienzeit im geschäftigen New York.

Keine kontemplativen ...

Thomas Merton wurde am 31. Jänner 1915 im südfranzösischen Prades als Sohn einer Amerikanerin und eines Neuseeländers geboren. Das unstete Malerleben hatte die Eltern dorthin verschlagen und Thomas sollte über Jahre hinweg an diesem ständigen Umherziehen beteiligt sein. Als er sechs ist, stirbt seine Mutter, zehn Jahre später der Vater. Der Vollwaise hat nun alles verloren, wie er sich später erinnert: "In diesem Jahr warf meine dürre Seele die letzten Spuren der Religion, die je in ihr gewesen waren, aus ihrer harten Schale. Es gab keinen Platz mehr für einen Gott in diesem leeren Tempel voller Staub und Schutt. So wurde ich zu einem vollendeten Menschen des 20. Jahrhunderts." Der hochbegabte Thomas machte sich während seiner durchaus erfolgreichen Studienzeit einen Namen als Trunkenbold, beißender Karikaturist, Ruderer und unverbesserlicher Weiberheld. Alles deutete daraufhin, dass er ein aus Zynismus und Häme erfolgreicher Schriftsteller werden würde, denn das Schreiben hatte es ihm unbändig angetan. Aber die Leere seines damaligen Lebens ließ ihn in eine intensive Suchbewegung eintreten. Ein Hindu-Mönch empfahl ihm die Lektüre des Heiligen Augustinus. Während ihm der Schritt zur Taufe relativ leicht gelang, wurde er ins Kloster erst nach mehreren Versuchen aufgenommen. Als Mönch fühlte er sich zunächst als Super-Christ, später griff er aber auf den Heiligen Benedikt zurück: Mönche sind Menschen, die Gott suchen und nicht die eigene Vollkommenheit.

... Trampelpfade

Um diesen Thomas Merton zu verstehen, hilft kein Griff in die Mottenkiste verstaubter Heiligenbilder. Merton lebte die Herausforderungen eines Christenlebens im 20. Jahrhunderts und ging nicht bequem auf einem kontemplativen Trampelpfad spazieren. Zu Freunden in Kalifornien sprach er über das Gebet: "Wenn ihr ein Leben des Gebets leben wollt, dann führt der Weg dorthin über das Gebet. Es gibt hier bei euch eine authentische Atmosphäre für das Gebet. Genießt es. Trinkt es bis zur Neige. Alles - die Wälder, das Meer, den Himmel, die Wellen, die Vögel, die Seelöwen. In all dem werdet ihr eure Antworten finden. Hier ist alles verbunden."

Der Rat kam aus der eigenen Erfahrung in seiner Einsiedlerhütte mitten im Wald, die ihn diese Aufmerksamkeit und Achtsamkeit gelehrt hatte. Und Merton verstand seine Erfahrungen nicht als seinen Privatbesitz.

Blick der Achtsamkeit

Genauso wie seine spirituelle Entwicklung in über sechzig Bänden zum Teil hochkarätiger Literatur wie ein offenes Buch vor uns liegt, so präsentiert Merton in seinem fotografischen Werk diesen Blick der Achtsamkeit. "Er benutzte den Photoapparat als ein kontemplatives Instrument", schreibt sein Lehrmeister in Sachen Fotografie, John Howard Griffin. Nur Dinge, die seinen kontemplativen Weg mitbestimmten, dienten ihm auch als Motive für seine Fotografien. Sein "ernsthaftes Werk", Fotografien, die nicht als dokumentarische Schnappschüsse dienten, ist eine Meditation auf der Pilgerreise ins Himmelreich. "Soweit ich sehe, werde ich weiterhin auf Wurzeln, in Scheunen, zwischen riesigem Unkraut, in Schmutzpfützen und auf Abfallhaufen unterwegs sein, bis das Königreich anbricht." Obwohl er von einer Liebesbeziehung zur Kamera spricht und sie mit "darling camera" anredet, bleibt er realistisch. "Die Kamera weiß nicht, was sie aufnimmt: sie fängt Material ein, mit dem du nicht so sehr das rekonstruierst, was du gesehen hast, als das, wovon du dachtest, du hättest es gesehen. Daher ist sich die beste Photographie darüber im Klaren, dass sie Illusion ist, eine Illusion benützt, und die das zulässt, sogar fördert - besonders die unbewusste und starke Illusion, die normalerweise in einem Bildausschnitt nicht wahrgenommen wird." Die erkannte Illusion wird wirklichkeitsbildend.

Fotografie als Illusion

Merton fotografierte bis zu seinem Tod im Jahr 1968 natürliche, nicht arrangierte Objekte seiner Kontemplation, deren Leben er nicht verändern, sondern in seinen Abzügen erhalten wollte. So kann man durchaus behaupten, dass man die Fotografien von Thomas Merton nicht verstehen muss, wenn sie sich voll entfalten sollen, sondern dass man sie kontemplieren muss. Für sie gilt genauso, was er über unseren Umgang mit der Zeit sagte. "Wir leben in der Fülle der Zeit. Jeder Augenblick ist Gottes eigene Zeit, Sein kairos. Wir müssen ihm nicht nachjagen. Er war die ganze Zeit da und wenn wir ihm Zeit geben, wird er sich selbst uns verständlich machen."

schnitt weise

Das fotografische Werk

von Thomas Merton

Ausstellungseröffnung

mit Thomas Mertons

Korrespondenzpartner Jim Forest

am Freitag, 17. Juni um 19 Uhr

Symposium

am Samstag, 18. Juni, 9-13 Uhr

Hartwig Bischof: Der Pinsel der Natur. Zur Mediengeschichte der Fotografie.

Ursula Baatz: Zentralperspektive und zen-buddhistische Ästhetik.

Marianne Schlosser: Auf der Suche nach der vollkommenen Kontemplation.

Thomas Merton als spiritueller Autor.

Bertram Stubenrauch: Mystische Wege zum Absoluten? Christentum und

Buddhismus im Gespräch.

Otto-Mauer-Zentrum

Währinger Straße 2-4, 1010 Wien

Tel. 01/3176165

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