Rauriser Literaturtage - © Foto: David Sailer

Die Elfi macht dicht: Marcus Fischers Roman „Die Rotte“.

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Von 29. März bis 2. April finden zum 52. Mal die Rauriser Literaturtage statt. Den heurigen Literaturpreis erhält Marcus Fischer für seinen Anti-Heimatroman „Die Rotte“.

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Von 29. März bis 2. April finden zum 52. Mal die Rauriser Literaturtage statt. Den heurigen Literaturpreis erhält Marcus Fischer für seinen Anti-Heimatroman „Die Rotte“.

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Elfi Reisinger, oder wie es in der Sprache des (Anti-)Heimatromans richtig zu heißen hat, die Reisinger Elfi, hat sich in ihrem Hof eingeschlossen, dem Reisingerhof, verbarrikadiert hat sie sich, alles dichtgemacht und dunkel, die Außenwelt hat sie ausgeschlossen, wahnsinnig ist sie vielleicht geworden, denn hier heißt das noch so. Das ist der Ausgangspunkt von Marcus Fischers mit dem Rauriser Literaturpreis ausgezeichneten Debütroman „Die Rotte“: „Weil man bei einer Frau immer fragt, warum. So hat man sich auch bei der Elfi gefragt. Wenn ein Mann so ist, glaubt man von Haus aus, man weiß eh. Aber bei einer Frau muss es schon was geben, was sie dorthin gebracht hat. Als wenn es beim Mann sowieso da ist, das Ungute. Oder wenn er eigen ist. Warum es bei der Elfi jetzt so gekommen ist, da hat jeder seine Geschichte im Kopf gehabt, oben in der Rotte Ferchkogel in den Voralpen.“

Voralpines Kleinst-Milieu

Viel gibt es nicht, in dieser Rotte Ferchkogel am See, fünf Höfe, benannt nach der jeweiligen Bauersfamilie, eine Kapelle und besagten See. Eine Rotte bleibt eben eine Rotte, jeder Hof für sich und doch eine Schicksalsgemeinschaft. Hier wird gemeinsam gefeiert und getrauert, man nimmt sich im Auto mit in die Kirche, aber es entgeht einem auch nichts. Der Reisingerhof ist der ärmste Hof, auf den man ein bisschen hinunterschaut, der Misthaufen mitten im Hof, das Plumpsklo direkt daneben. Elfis Vater Hannes wird zunächst tot im Bach gefunden, bis die Gendarmerie eintrifft, ist die Leiche aber verschwunden, vermutlich in den See gespült, wo sie nun liegt, als Metapher für die Geheimnisse und Abgründe der Menschen in der Rotte. Jeder weiß, dass sie da ist, auch wenn man sie nicht sieht, aber irgendwann kommt sie an die Oberfläche.
Selbstmord heißt es, doch Elfi glaubt nicht daran und verdächtigt die Nachbarn, die dem Vater das Grundstück am See abluchsen wollten. Es sind die 1970er, noch hat der Touristenansturm nicht eingesetzt, aber man spekuliert schon darauf, und dann wäre Grund am See Gold wert. Der Grund am See bringt den Vater auf den Seegrund, das glaubt Elfi, während sie anfängt, Zeichen zu sehen, die das bestätigen. Elfi bleibt mit der verbitterten, boshaften Mutter zurück, irgendwann heiratet sie (den) Franz, der den Frauen am Hof hilft und bald das Zepter an sich reißt. Fischer versteht es, die Zeitebenen so ineinander zu schieben, dass man zwar ahnt, was kommt, aber dennoch bis zuletzt gespannt bleibt, was sich genau zugetragen hat, und was Elfi, wie es am Anfang heißt, dorthin gebracht hat: an diesen Ort und in diesen Zustand.

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