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FRANZ OLAH MARXISTISCHER ANTIMARXIST

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„Der Vorwurf, den man mir macht, ich sei Antimarxist, geht fehl, denn ich habe von Karl Marx mehr gelesen als mancher, der behauptet, Marxist zu sein. Ich bin aber der Meinung, daß eine Partei keine Kirche ist und nicht 120 Jahre später genau das gleiche machen muß, was ein sehr Gescheiter für seine Zeit geschrieben hat..

Im Jahr des 75. Geburtstages der österreichischen Sozialdemokratie hatte Franz Olah 1964 der SPÖ einen schweren Kanten schlag versetzt; ein unabhängiger Journalist schrieb damals, die „Erbin des Geistes von Hainfeld“ sei gestorben. Die SPÖ sei nicht mehr die alte. Und tatsächlich hat wahrscheinlich die Erschütterung der Olah-Krise die Sozialistische Partei veranlaßt, nach den Nationalratswahlen 1966 — die in gewissem Maße Olah-Wahlen waren — das karge, aber ernüchternde Brot der Opposition zu wählen. Und seit damals sucht die SPÖ nach besserer Einheit auf neuen Wegen mit neuen Zielen — Zielen, denen Olah gar nicht so fern gestanden ist.

Nach 1945 stößt er zur Spitze der Gewerschaftsbewegung,

deren pragmatische, undoktrinäre Haltung zum Stabilisierungsfaktor der Zweiten Republik wird. Als 1950 die Kommunisten putschen, entsteht aus dem Antikommunismus des Bau- und Holzarbeiterchefs Olah die Legende vom Kommunistenschreck und unerschütterlichen Antimarxisten.

Später, nach Olahs Sturz, schreibt die „Volksstimme“: „Die Preisgabe sozialistischer Traditionen und Prinzipien hat nun tatsächlich in den politischen Sumpf geführt, in dem Ehrgeiz und Skrupellosigkeit eines Olah gedeihen konnten “

Und auch später, als ÖGB-Chef,

geht es ihm um einen neuen sozialistischen Stil — und um neue Wege. Er schließt das Raab—Olah- Abkommen als Sicherung gegen wirtschaftliche Instabilität und agiert unbekümmert um SPÖ- Beschlüsse auch mit Rücktritt und Protest, wenn es seinen gewerkschaftlichen Zielen entgegensteht.

In der Ära Pittermann freilich wächst der aggressive und ehrgeizige Taktiker der Macht der Fäuste in eine wachsende Gegnerschaft zum Parteivorsitzenden, dem er Mißerfolge aus Doktrina- tion vorwirft.

Als Innenminister säubert der Antikommunist die Polizei — vor allem die Staatspolizei — von Kommunisten und gerät in den Schußwinkel der „Linken“ in der SPÖ. Abgeordneter und Partei- theoretiker Czernetz und Justizminister Broda sind die ersten, die nun gegen den „Rechtsab- weicher“ zu Felde ziehen. Pragmatismus, mangelnde Parteidisziplin und „Führerkult“ werden Olah vorgeworfen und führen zum Verlust aller Funktionen, zum Parteiausschluß und zur Diffamierung.

Doch Olah hat noch Sympathien. Tausende Gewerkschaftler sehen bis heute in ihm einen legitimen und guten Vertreter ihrer Anliegen.

Als „wilder Abgeordneter“ hält er zwar durch mehr als ein Jahr keine einzige Rede im Parlament, gründet aber die sogenannte DFP, die Demokratisch Fortschrittliche Partei, die in den Nationalra’ts- wahlen 1966 den Sozialisten vor allem in Wien viele Stimmen abnimmt. Doch für Olahs neuerlichen Einzug ins Parlament reicht es nicht.

Nun, nachdem er seine Immunität verloren hat und auf seine Abgeordnetenpension angewiesen ist, soll ein unabhängiges Gericht Transparenz in das Wirrwarr der Beschuldigungen um Olah bringen: Er habe eine ihm später (und auch heute noch) nahestehende Tageszeitung mit Gewerkschaftsgeldern versorgt, er habe durch Transaktionen einer politischen Partei (die in der Zeit der Koalition einzige Opposition war) Millionen gespendet, um später diese Partei als eventuellen Koalitionspartner zu benützen.

Wird Olah vor Gericht Dinge zur Sprache bringen, die noch niemand weiß? Im Wahlkampf 1966 hat er einiges zu sagen gehabt, was seinen Exfreunden in der SPÖ nicht eben angenehm war. Wird er also „auspacken“? Vißles spricht dafür, daß Olah nun auf nichts mehr Rücksicht nehmen wird.

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