6730018-1965_47_03.jpg
Digital In Arbeit

Die Spaltung beginnt

Werbung
Werbung
Werbung

Auf Helmer folgte Josef Afritsch als Innenminister. Das Innenressort war ihm fremd. Sein Kontakt zur Exekutive verkörperte sich in seinem Freund Holaubek. Afritsch war ein humaner und maßvoller Politiker; ein Menschenfreund, der aber die ausgewogene sachliche Linienführung Helmers vermissen ließ. Unter seiner Ministerschaft gewannen gewisse Personen des ihm zugeteilten Ratgeberkreises auf die Dinge im Innenministerium bestimmenden Einfluß und setzten Ende 1962 in der Exekutive einige schwerwiegende politische Personalveränderungen durch. Diese Personalmaßnahmen leiteten die dienstlich merkbare politische Spaltung der Exekutive in rechts und links ein. Gleichzeitig wurden in der Umgebung Afritschs Stimmen laut, die von einer notwendigen „Demokratisierung“ der Exekutive sprachen und diesbezügliche Reformen in Aussicht stellten. Die Ministerära Afritsch stand also im Zeichen der beginnenden Einflußnahme jener opportunistisch denkenden parteipolitischen Kräfte, die unter Helmer wegen mangelnder Fachkenntnisse und anderen Gründen wenig Beachtung gefunden hatten und ihre Tätigkeit auf Klatsch und Tratsch beschränken mußten.

Der humane Afritsch wurde von dem spektakulären Olah abgelöst. Der mißtrauische neue Minister hatte seinen Haupt- und einige Nebenberater mitgebracht. Es entstand zwischen dem alten und dem neuen Vertrautenkreis ein Ringen um das Ohr des Herrn und Meisters. Olah hielt sich an die antike Lösung solcher Probleme — teile und herrsche! Die beiden Gruppen wurden wahlweise gegeneinander ausgespielt, belobt und getadelt, dabei wurde das jahrelang in kleinen Schritten aufgebaute publikumswirksame Image des Wiener Polizeipräsidenten arg ramponiert, worauf sich gewisse Personen aus dem unmittelbaren Kraftfeld um Olah zurückzogen. Nach dieser Klärung der innerparteilichen Fronten ging der äußere Spektakel los. Im Zuge der schon erwähnten Demokratisierung der Exekutive kam es zu einer Reihe wenig motivierter Versetzungen. In der Meinung, nun genug Furcht und Unruhe unter der Beamtenschaft verbreitet zu haben, ging man daran, die Exekutive im Schnellsiedeverfahren an Haupt und Gliedern — wie man sich in der Umgebung des Herrn Ministers auszudrücken beliebte — zu „reorganisieren“. Ganz überraschend — mit einem endlosen Fernschreiben — wurde eine Vielzahl von Reorganisationskommissionen und Unterkommissionen eingesetzt. In der nächsten Zeit fuhren mehr als hundert Beamte aus ganz Österreich zwischen ihren Dienstorten und Wien hin und her. Endlose Sitzungen wurden abgehalten, es wurde viel geredet und viel geschrieben. Studienkommissionen fuhren ins Ausland, sie depeschierten und referierten. Uber diesem Getriebe standen mit sphinxhaftem Lächeln der Minister und sein Bürochef.

Ungeachtet der Arbeiten in den einzelnen Reorganisationskommissionen reorganisierte der dynamische Olah — dem alles zu langsam ging — auf eigene Faust. Was dabei herauskam, wissen wir:

Es wurde überraschend ein ganzer Haufen Kleinwagen angekauft — fachmännischer Rat kostete nur ein Lächeln —, um die Motorisierung der Exekutive vorwärtszutreiben. Entstanden sind ein verwaltungstechnisches Durcheinander und in der Endkonsequenz mehr Schaden als Nutzen, weil die willkürlich angekauften Fahrzeuge im Exekutiv-dienst ja nur beschränkt verwendbar sind, aber in ihrem Betrieb Summen verschlingen, die anderswo dringender benötigt werden.

Auch modischen Neuerungen war der Innenminister zugetan. Die Bundespolizei erhielt zwischendurch eine neue — eine nichtmilitärische — Uniform. Ihre Kleidsamkeit können wir beim Anblick unserer Wachleute täglich beurteilen. Um die „wahre“ Demokratisierung der Exekutive unter Beweis zu stellen, wurden, weil es irgend jemandem gerade einfiel, die Dienstnummern bei der Bundes-polizei im Handumdrehen abgeschafft. Uns ist es jetzt freigestellt, den Herrn Inspektor nach seinem Namen oder seiner Dienstnummer zu fragen.

Der nächste Streich war die überstürzte Einführung des in Etappen schon lange geplanten Funkstreifendienstes bei der Gendarmerie. Was man davon zu halten hat, erfährt man am besten in Gendarmeriekreisen. Die besondere Schildbürgerei war dabei der Ankauf nicht entsprechender Funkgeräte.

Die Ära Olah ging so spektakulär zu Ende wie sie begonnen hatte. Von der Reorganisation im Schnellsiedeverfahren blieb ein Haufen beschriebenes Papier übrig, der jetzt entweder gesichtet oder weggeworfen wird

Der neue Innenminister Czettel — wie behauptet wird, ein musischer Mensch — hatte es anfangs nicht leicht. Als Liquidator der Ära Olah stand er vor einigen Problemen. Das erste Problem war gewiß die Auswahl seiner Umgebung. Dieser Kreis hat sich aber überraschend schnell und ohne Kämpfe formiert. Die Führungspositionen nahmen bald jene Personen ein, die unter Afritsch die Geschicke lenkten. Zu ihnen gesellten sich jene Selbstkritiker, die beim Untergang des Olah-Schiffes rechtzeitig in die Boote gegangen waren. Vorerst wurde still gewerkt, um das zerschlagene Geschirr der Ära Olah zu beseitigen. Bald aber regten sich wieder die karrierefreudigen Reorganisatoren. Ein neuer Reorganisationsgrund war als Anfang bald gefunden — das Lebensalter! Man hatte ja jetzt schließlich einen jungen Minister; was war naheliegender, als den Versuch zu unternehmen, die mittlere Führungsgarnitur der Exekutive zu „verjüngen“, um Schwierigkeiten zu verhindern, die sich aus dem Generationsunterschied ergeben könnten. Diese Bemühungen waren da und dort, in Polizei und Gendarmerie, von Erfolg begleitet. Als nächstes wurde der Begriff „Ent-militarisierwnp der Exekutive“ hochgespielt. Der schließliche Abschuß des Kommandos „Habt — acht!“ war der sichtbare Erfolg. Minister Czettel äußerte öffentlich die Absicht, den Titel „Gendarmeriegeneral“ abzuschaffen. Ein übriges war die Frage der Personalvertretung — ihr gehören keine Offiziere an —, ob man in Polizei und Gendarmerie überhaupt Offiziere braucht? Czettel befaßt sich auch eingehend mit der Frage, was man tun muß, um die Geisteshaltung und die Ausbildung der Exekutive den angeblich veränderten Verhältnissen der „neuen Zeit“ anzupassen.

Der erste Schritt zu dieser Anpassung dürfte die Berufung des Praktikers Holaubek an die Spitze der Exekutive sein. Als große Neuerung wurde uns erst unlängst in Wien die Damenpolizei beschert. Sie ist als Geheimwaffe gegen Verkehrssünder am Straßenrand gedacht. Die jüngste Bastlerei der Reorganisatoren gilt der Gendarmerie.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung