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Mann der Unzufriedenen

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FURCHE: In knapp drei Wochen sind Nationalratswahlen und man hat bisher von der DFP wenig gesehen und gehört. Worauf führen Sie das zurück? OLAH: Darauf, daß wir sehr wenig Geld haben, daher mit unserem Propagandamaterial sparsam umgehen müssen. Wir können unser Material erst in der letzten Phase des Wahlkampfes einsetzen.

FURCHE: Wovon bestreiten Sie die Wahlkampf kosten? OLAH: Wir haben für diesen Wahlkampf schon seit vielen, vielen Monaten zu sparen begonnen; dazu kommt uns auch die Parteiensubvention der Gemeinde Wien (pro Jahr zahlt die Gemeinde Wien jeder im Gemeinderat vertretenen Partei einen

Betrag Von 5 Schilling pro Stimme) ragute, die uns die Möglichkeit gibt, mit dieser Viertelmillion noch etwas mehr zu machen.

FURCHE: Man munkelt, daß auch diie ÖVP Gelder gegeben... OL AH: Leider nicht. Es wäre jeder Partei gestattet, eine kleine zu unterstützen. Aber das tun sie natürlich nicht, denn da ist sich jede Partei wohl selbst die nächste. Auch die ÖVP macht keine Ausnahme, noch dazu, wo sie nach den letzten Gemeinde-ratswahlen gejammert hat, daß wir ihr auch Stimmen weggenommen haben. Wir wären schon dankbar, wenn wir dieselbe Unterstützung erfahren würden wie die LPÖ (Liberale Partei) von der SPÖ. Dort haben SPÖ-Funk-tionäre die Unterschriften für das Wahlregister der LPÖ aufgebracht. Als das publik wurde, gab es dann Aufregungen, Ausreden und viele Annulierungen der Unterschriften.

FURCHE: Und wie ist jetzt ihr Verhältnis zur „Kronen-Zeitung“? OL AH: Die „Kronen-Zeitung“ ist unabhängig. Sie hat politisch nie meine Linie vertreten, nur zur Zeit des Prozesses, als wir im gleichen Boot saßen, gab es Berührungspunkte. FURCHE: Wo würden Sie Ihre Partei, die demokratisch-fort-ichrittliche Partei, in der politischen Geographie ansiedeln? OLAH: Links von der Mitte ohne dogmatisch zu sein, ohne starre Ideologie, nicht marxistisch, sor. dem humanistisch-sozialistisch, sagen wir sozialdemokratisch. FURCHE: Glauben Sie, daß es für Ihre Partei überhaupt noch eine genügend große „Marktlücke“ gibt?

OLAH: Kleine Leute, die unzufrieden sind, Arbeiter, Angestellte, auch kleine Gewerbetreibende. Vor allem die jüngeren Jahrgänge, so bis 30 oder vielleicht 35. Die sind den Argumenten einer Partei aufgeschlossener und noch bereit, sich für etwas einzusetzen. Wir haben aber auch, einiges an Good-will in

Akademikerkreisen und bei Studenten, die uns helfen und unterstützen.

FURCHE: Sie sprechen von Unzufriedenen, die Sie mit Ihrer Politik erreichen wollen. OLAH: Wir halten eine Grundsatzreform in unserem Staat für notwendig, das beginnt mit einer Totalrevision unserer Verfassung. Diese Verfassung von 1920 ist für das Land, für seine komplizierte Struktur In wirtschaftlicher und politischer Beziehung untauglich. Ein übergroßer Regierungsapparat erschwert durch sein Kompetenzgestrüpp die Verwaltung dieses Staates. Eine echte Verwaltungsreform — und Vereinfachung müßte bei einer Neuüberprüfung der Kompetenzen beginnen. Eine Delegien ig nach unten und das Abschaffen so vieler Zwischeninstanzen — die verhindern, daß der Staatsbürger eine rasche Erledigung seiner Angelegenheiten erfährt — wären Ansatzpunkte einer Reform. FURCHE: Aber nicht nur Verwaltung und Verfassung sind reformbedürftig. Wie steht es um die vieldiskutierte Reform des Strafrechtes?

OLAH: Ja. Wir leben 100, 200 Jahre zurück, und der Staat von heute ist nicht mehr der Obrigkeitsstaat von damals. Es ist völlig sinnlos, daß sich der Staat noch in die privatesten Sphären des Staatsbürgers einmischt. Der Staat hat nicht mehr Vormund zu sein, er hat Gemeinschaftsaufgaben zu erfüllen.

FURCHE: Die Frage der Straf rechtsreform wirft die Frage nach ihrem noch immer anhängigen Prozeß auf. OLAH: Dazu kann ich nichts sagen. Das ist eine Sache der Gerichte; hier soll man weder ' propnezeihen “hoch Wünsche äußern:-Natürlich habe' ich den Wunsch, nachdem ich mich nicht schuldig fühle, daß man das Urteil revidiert; zumindest in der einen Sache, in der ich verurteilt wurde. In zehn anderen Sachen wurde ich ja freigesprochen. Aber wenn der Oberste Gerichtshof dieses Urteil bestätigen sollte, so werde ich das respek-tieren, ich werde zwar den Wiederaufnahmeantrag auf Grund bestimmter Beweisstücke machen, aber ich werde meine Strafe umgehend antreten. Ich werde weder ein ärztliches Zeugnis beibringen, daß ich krank bin, noch werde ich um Strafaufschub ersuchen. Aber ich kämpfe natürlich um meine Rehabilitierung, das wird mir jeder zubilligen. FURCHE: Also auch um Ihre politische Weiter arbeit? OLAH: Nun, ich werde In dem Rahmen weiterarbeiten, den mir Gesetz und Verfassung einräu men. Wenn das Urteil bestätigt werden sollte, dann werde ich daraus jene Konsequenzen zie hen, die daraus zu ziehen sind, aber ich werde trotzdem meine Stimme In der Politik welter erheben. Mandate werde ich antreten und solange ausüben, solange mir dies möglich ist. FURCHE: Was erhoffen Sie sich von den Nationalratswahlen — wieviele Mandate, ohne Prophet zu sein?

OLAH: Das ist eine Frage, die niemand beantworten kann. Ich erhoffe mir ein paar Mandate, so drei oder vier, das wäre für den Anfang ganz nett. FURCHE: Richten Sie sich auf einen langen Marsch ein? OLAH: Der Sog, wenn man einmal Erfolg hat, wird stärker. Das muß dann gar kein langer Weg mehr sein. Aber eines ist sicher: jede Idee, auch wenn sie noch so nützlich und vernünftig ist, braucht ihre Zeit. Jede Generation muß etwas für die kommende tun und nicht nur für sich selbst. Also werden vielleicht andere etwas von dem ernten, was ich heute versuche und beginne.

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