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Begegnungen mit Leopold Ungar

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Mit Prälat Leopold Ungar ist eine der profiliertesten Persönlichkeiten des kirchlichen, ja darüber hinaus des gesellschaftlichen Lebens Österreichs dahingegangen, die sich durch ihren rastlosen Einsatz, der weit über die Funktion eines Präsidenten der Caritas hinausging, allgemeine Achtung und Anerkennung, ja Bewunderung und Verehrung erworben hat. ,

Ungar setzte nicht nur seine kommerziellen Fähigkeiten für die Hilfe an die Notleidenden im In- und Ausland ein, er verstand es auch, das Gewissen der Menschen aufzurütteln und sie zu großherzigen Spenden zu motivieren. Er war ein in die Schule von Karl Kraus gegangener Meister der pointierten Formulierung, die aber meist eine mündliche blieb. Karl Kraus hatte ihn nämlich neben der Liebe zur Sprache, wie er mir anvertraute, auch eine Hemmung verpaßt: etwas Unvollkommenes aus der Hand zu geben. Und alles erschien Ungar unvollkommen, was nicht an die Größe des Meisters heranreichte, den er nicht nur für ein Sprachgenie hielt, sondern auch für einen Propheten, der ihn, ohne sich dieser Wirkung bewußt zu sein, zum Priestertum der katholischen Kirche führte.

Alle diese Einblicke in den Werdegang und das Seelenleben des Verewigten verdanke ich zahlreichen Besuchen, die ich Prälat Ungar in den vielen Jahren, in denen er im Caritas-Heim auf der Sulzwiese am Kahlenberg lebte, immer wieder machte. Es war enorm anregend, ja fesselnd, mit ihm zu plaudern und seiner Nähe, mit der er sparsam umging, gewürdigt zu werden. Er vermittelte nicht den Eindruck eines glücklichen und frohen Menschen. In einem von mir zum zweiten Todestag Friedrich Heers herausgegebenen Sammelband „Briefe an und über Friedrich Heer" bekannte er Heer, aber auch der Öffentlichkeit gegenüber: „... hast du mich mit einer Gelassenheit dem Tod gegenüber beschämt... Das und dein realistisches Verständnis der christlichen Friedensaufgaben sowie gelegentlich der helle Geistesblitz in einem Wust von Assoziationen oder historischen Informationen machen dich für immer zu einem erhellenden Element in meinem dunklen und frostigen Leben".

Nun hat Leopold Ungar die „dunkle und frostige" Periode seiner irdischen Existenz, mit der er schwer rang und zurechtkam und trotzdem soviel Segen für andere stiftete, hinter sich. Seine irdische Wanderschaft hat ihn nicht nur vom Juden zum Christen und katholischen Priester, sondern auch zu einem gemacht, der sich durch ein langes, intensives körperliches und seelisches Leiden vollenden mußte.

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