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Der Advokat des Teufels

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Curt Riess, einer der bekanntesten Publizisten und Journalisten des deutschen Sprachraums, der vor Hitler in Berlin wirkte, dann in die USA in die Emigration ging und seit vielen Jahren in der Nähe von Zürich lebt, begann schon gegen Ende des Zweiten Weltkrieges mit der Abfassung einer Biographie von Joseph Goebbels. Seiner Meinung nach war der NS-Propagandamini-ster eine der Zentralfiguren des Dritten Reichs oder vielleicht sogar „die Zentralfigur“, ohne deren Wirken die Geschichte des Dritten Reiches unverständlich bleibt. Der Krieg war noch kaum zu Ende, als Curt

Riess mit den amerikanischen Besatzungstruppen nach Deutschland kam und hier weiteres Material für sein Werk fand. Er konnte viele Personen, die Goebbels nahegestanden waren, wie seine Mutter, Schwester,

Schwiegermutter, seine langjährige Privatsekretärin, seine Krankenschwester, zahlreiche Schauspieler und Schauspielerinnen befragen. Er fand auch viel Material und Akten im zerstörten Propagandaministerium. Auf Grund aller dieser Quellen entstand schon kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges die bisher vielleicht beste Biographie des Reichspropagandaministers, die in letzter Zeit eine Neuauflage erlebte.

Nach Curt Riess wäre der Nationalsozialismus nie zu einer solchen Bedeutung gelangt, wenn nicht Joseph Goebbels ihn durch seine Propaganda zu einer der gefährlichsten Mächte der Welt gemacht hätte. Nach Curt Riess ist es allein Goebbels gewesen, der durch seine Propaganda die Verlängerung des Weltkrieges um einige Jahre ermöglichte.

Emil Ludwig hat einmal die ganze Politik Kaiser Wilhelms II. auf dessen verkrüppelten Arm zurückgeführt. Curt Riess führt ähnlich die Geschichte Joseph Goebbels auf die Tatsache zurück, daß auch er ein Krüppel war, der niemals Soldat sein konnte, niemals ein Held und der außerdem ganz anders aussah, als die Deutschen sich einen germanischen Recken vorstellten. Goebbels, der nur zu sehr begriff daß er niemals die Deutschen werde faszinieren können, fand in Adolf Hitler einen Menschen, von dem er auf Grund seiner großen Intelligenz sofort erkannte, welch große Faszination er auf die Deutschen ausüben mußte. Dank seiner Propaganda baute er Hitler zu einem Mythos aus, dem ein Großteil der Deutschen kritiklos verfiel.

Ohne Goebbels hätte Hitler, nach Riess, niemals diese Bedeutung erlangt, wie er sie dann tatsächlich erreichte.

In seiner Grundhaltung, das beweist Curt Riess, war Goebbels eigentlich gar kein echter Nationalsozialist. Er war dagegen ein vollkommener Nihilist, bar jeder Moral, der sich dem Nationalsozialismus zuwandte, um zu versuchen, dadurch dem Nihilismus- zu entgehen. Aber der Nihilismus in ihm war stärker und blieb die Quintessenz seines Daseins bis zu seinem Selbstmord. Curt Riess beweist, daß Goebbels vollkommen das Instrument der Propaganda beherrschte. Er machte Propaganda nicht für oder gegen etwas, sondern für etwas, das werden sollte. Er stellte die Wirklichkeit solange dar, bis sie Wirklichkeit wurde. Er log solange, bis seine Lügen Wahrheit wurden. In den letzten Jahren des Krieges, von dem er nur zu gut wußte, daß er nicht gewonnen werden konnte, ist seine Propaganda als Zeitbomben-Propaganda zu verstehen. Als eine Propaganda, die die Welt fähig macht, Hitler in dreißig oder vierzig Jahren zurückzurufen. Dank Goebbels ist Hitler noch immer nicht tot, das heißt, sein System der vollkommenen Lüge und der vollkommenen Gewalt, die bar ist jeder MoraL Insofern ist Goebbels heute noch immer aktuell Und deshalb ist es gut, daß dieses Buch wieder aufgelegt wurde, “um immer wieder diesen Advokat des Teufels zu entlarven. Willy Lorenz

JOSEPH GOEBBELS. Der Advokat des Teufels. Von Curt Riess. Verlag R. Löwit, Wiesbaden. Leinen, 508 Seiten. durch Philip Roths Buch „My Life as a Man“ notiert er: „Wieso würde ich mich scheuen vor dem deutschen Titel: Mein Leben als Mann? Ich möchte wissen, was ich, schreibend unter Kunstzwang, erfahre über mein Leben als Mann.“ Es ist das Grundthema der hier vorliegenden Aufzeichnungen. Gertrud Constanze von Meyenburg, Frischs erste, Ehefrau, taucht auf. Marianne, die ihn nach langem gemeinsamem Leben verläßt, „weil er in zehn Jahren nicht zu ihrer Selbstverwirkliehung beigetragen habe... Nur mein Verhalten von Anfang an und von Tag zu Tag hat eine kluge Frau verleiten können zu der Meinung, ihre Selbstverwirklichung sei Sache des Mannes, der Männer.“ Die leidenschaftlichen Beziehungen zu Ingeborg Bachmann über lange Jahre werden beschworen. „Das Ende haben wir nicht gut bestanden, beide nicht“, die abschließende Bemerkung zu diesem Kapitel.

Nicht ohne Melancholie und doch tröstlich das Bekenntnis: „Eine wird die letzte Frau sein, und ich wünsche,

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