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Gestatten Sie mir, die Fragen a) und b) zusammenfassend zu beantworten:

Eine Demokratie im christlichen Geist (besser als „christliche Demokratie“) erscheint mir heute, angesichts der vielen Verfallserscheinungen und Gefahren, die unsere Gesellschaft bedrohen, als eine eminent aktuelle Sache. Dazu eine ketzerische Feststellung: Eine so praktizierte Demokratie muß nach meiner Ansicht möglichst viele — hornibile diotu — liberale Elemente absorbieren. Für jene, die bewußt mißverstehen wollen, sei gesagt, daß damit natürlich nur jene liberalen Kernideen zu verstehen sind, die die Zeit überdauern.

Hier nun ergibt sich der Bezug zu Ihren Fragen. Christentum heißt vor allem Entfaltung der persönlichen Würde des Menschen und Stärkung seiner Freiheit, im gesunden Spannungsverhältnis zur Gemeinschaft. Darum meine Frage: Verdienen die Parteien, die heute das „hohe C“ in ihrer Bezeichnung führen, noch diesen Namen? Nach meinem Dafürhalten verdienen sie ihn nicht mehr, weil sie — in völlig falsch verstandener „Realpolitik“ — dem sozialistisch-kollektivistischen Zeitgeist Konzession auf Konzession gemacht halben. Die Beifügung des Wortes „christlich“ in die Parteibezeichnung mag in der ersten Nachkriegszeit gerechtfertigt gewesen sein, als es primär darum ging, den Kommunismus abzuwehren. Inzwischen aber sind auch die christlich-demokratischen Parteien immer mehr dem „Sozialismus in uns“ unterlegen und unterscheiden sich in ihren Programmen immer weniger von jenen sozialistischen Parteien, die bemüht sind, sich ein modernes „Image“ zu geben

Möge endlich bei den Parteien — „links“ und „rechts“ — begriffen werden, daß wichtige Entscheidungen über die Würde des Menschen gerade auf dem Boden der Wirtschaftspolitik fallen. Ich bin selbstverständlich nicht für eine Philosophie der wirtschaftlichen Freiheit, wie sie verschiedenen Funktionären vorschwebt (wirtschaftliche Freiheit vor allem als „Freiheit für den anderen“!), Wirtschaftspolitik im modernen liberalen Sinn muß aus einer Synthese zwischen dem Bleibenden am Liberalismus und der Rationalität und Systematik wirtschaftlichen Handelns bestehen.

Bedauerlicherweise erliegen auch die christlich-demokratischen Parteien im Grund einer Vorstellung von Menschen, die, um ein aktuelles Bild zu gebrauchen, vom Typ des Gammlers geprägt ist: dem passiven, entmündigten, verantwortungsfreien und daher jede Verantwortung scheuenden Menschen.

Zu Frage c: Es war eine glückliche Entscheidung, daß die Gründer der österreichischen Volkspartei im Jahr 1945 die Aufnahme des Attributes „christlich“ in die Firma der Partei ablehnten. Zu sehr war die christliche Politik durch die Jahre 1934 bis 1938 diskreditiert worden. (Auch wenn im Lichte des historischen Abstandes heute dem Regime des Ständestaates viel mehr Gerechtigkeit widerfahren muß !). Die ÖVP ist im Sinne des Gesagten keine christlich-demokratische Partei, weil sie viel zu viele Sünden gegen die persönliche Würde und Freiheit des Menschen begangen und zugelassen hat.

Eine besondere Gefahr sehe ich darin, daß in dieser Partei das christlich-soziale Element stärker zum Zuge kommen könnte. Ich verstehe „christlich-sozial“ hier nicht im Sinne des erhabenen Gebäudes der christlichen Soziallehre, sondern in dessen Fehlinterpretation durch jene Christlich-Sozialen, die wie ein Bleigewicht an einer modernen Partei hängen.

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