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Die Sprache als Opfer

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Es ist bekannt, daß die Franzosen ihre Sprache für eine der größten Kulturleistungen der Menschheit halten und für den größten Schatz ihrer Nation. Deshalb schicken sie auch ihre größten Geister und bedeutendsten Literaten in jene Institution, die über Reinheit und Integrität ihrer Sprache wachen soll, in die academiefrancaise.

Selbstverständlich ist auch das Französische der Veränderung unterworfen, was aber Geltung haben soll, wird von den Mitgliedern der Akademie bestimmt.

Anders in Deutschland und Osterreich. Dort können Kulturbürokraten und Ideologen an der Sprache herumdoktern und sie zum Objekt ihrer Weltverbesserungsstrategien machen.

Ein Reispiel dafür ist die Rechtschreibreform, die den Kultusministern der deutschen Bundesländer eingefallen ist. Man wollte die Rechtschreibung „logischer” und „klarer” und „einfacher” machen. Das Projekt ist jetzt wahrscheinlich gescheitert. Die Sprache läßt sich eben nicht so einfach politischen - auch nicht bilduüjjrspolitischen - Zielen unterwerfen. Sie gehorcht ihren eigenen Gesetzen.

Ein anderes Reispiel für die Manipulation der Sprache haben wir gerade in Österreich erlebt. Im Auftrag des überflüssigsten aller Ministerien, des Frauenministeriums, hat ein Universitätsinstitut nun einen Leitfaden für „kreatives Formulieren” herausgegeben.

Darin findet man „Anleitungen zu geschlechtergerechtem Sprachgebrauch”. Die Autorinnen empfehlen, beide Geschlechter zu nennen (also beispielsweise Österreicherinnen und Österreicher), sie sprechen sich für das läppische große I mitten im Wort aus und was dergleichen Mätzchen noch sind. Andernfalls würden die Frauen „zum Verschwinden gebracht” und diskriminiert.

In Frankreich und England, wo bekanntlich das Wort für „Mensch” und „Mann” identisch ist, hat sich deswegen noch keine Frau diskriminiert gefühlt.

Das Projekt, das Johanna Dohnal erfunden, Helga Konrad weitergeführt und Barbara Prammer gerne übernommen hat, soll „Bewußtseinsbildung” mit Hilfe der Sprache betreiben, denn „was in der Sprache passiert, hat Rückwirkungen auf die Gesellschaft.”

Daß sich viele Wörter einer „geschlechtsneutralen” Schreibund Ausspracheweise verweigern, wissen die Autorinnen zwar, es hemmt aber ihren ideologischen Eifer keineswegs.

Das Urteil über derlei Unfug hat schon vor fast hundert Jahren Karl Kraus gesprochen, wenn er sagte: „Umgangssprache entsteht, wenn sie mit der Sprache nur so umgehen, wenn sie sie wie das Gesetz umgehen, wie den Feind umgehen. Die Sprache tastet wie die Liebe im Dunkel der Welt einem verlorenen Urbild nach.”

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