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Frauenmaler
Wahrend sich die ÖVP in einer gespaltenen Kernfrage langsam zu Tode siegt, weil sie irgendwann aus dem Labyrinth ihrer taktischen Fallen nicht mehr herausfindet, geht die CDU den geraden deutschen Weg.
Es war freilich auch höchste Zeit, daß die CDU sich anschickte, ihre Substanz zu erforschen. Sie ist schließlich, die bekannteste große Schwesterpartei der Welt: nämlich Schwesterpartei der CSU, der DC...
Alois Mock, der Präsident der EDU, könnte sicher die ganze Schwestern-Kongregation herunterbeten. Aber auf jeden Fall konnte die CDU nicht mehr länger der Gretchen-Frage ausweichen: Wie hält'st du's mit den Schwestern in der eigenen Partei?
Am Anfang stand die demoskopisch erfragte Erkenntnis, daß der CDU die alten Frauen treu ergeben sind, aber die jungen immer mehr davonlaufen. Daraus zogen die politischen Köpfe der großen deutschen Schwesterpartei, Helmut Kohl und Heiner Geissler, messerscharfe Schlüsse.
Im Interesse der Erhaltung von Mehrheit und Macht, sagten sie sich, müßte man doch den alten Männertraum verwirklichen und eine alte Frau gegen zwei junge eintauschen — nur politisch, versteht sich.
Kohl und Geissler stellten sich also vor den Spiegel und analysierten: wenn die jungen Frauen Ausreiß nehmen, kann es nur an den Frauen liegen. Konsequenz: das Frauenbild der CDU muß geändert werden.
Auf einem eigenen Bundesparteitag der CDU zu Ehren der neu entdeckten Schwestern präsentierten sich Kanzler Kohl und sein Familienminister Geissler als moderne Frauenmaler. Und^-bei der Diskussion des neuen Frauenbildes durften sogar richtige Frauen mitreden, nicht nur die Alibi-Frauen.
Nach fast 40jährigen Versuchen, die deutsche Frau dem Frauenbild der CDU anzupassen, drehte man jetzt kurzerhand den Spieß um. Die alte Schablone aus der Patriarchenzeit wurde verworfen, das Frauenbild der Partei annähernd den Frauen angepaßt.
Da ging es so zukunftsweisend und geradezu umstürzlerisch her wie in der SPD Ende der sechziger Jahre. Ohne Berührungsangst wurden plötzlich so revolutionäre Begriffe wie Gleichberechtigung, Partnerschaft und Emanzipation in den Mund genommen.
Gut, daß die ÖVP gegen aufmüpfige Frauen und andere Modeerscheinungen in der Politik immun ist. Sonst würde bald vor den Fenstern des Frauenstaatssekretariats am Ballhausplatz der Kampfruf erschallen: „Johanna, wir kommen spät, aber wir kommen!”
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