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Heißes Eisen Polygamie

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Nirgends wächstdie katholische Kirche so rasch wie in Schwarzafrika. Aber die Probleme der Inkulturation und des Mangels an einheimischen Priestern sind noch lange nicht gelöst.

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Nirgends wächstdie katholische Kirche so rasch wie in Schwarzafrika. Aber die Probleme der Inkulturation und des Mangels an einheimischen Priestern sind noch lange nicht gelöst.

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Eine Messe, gemeinsam von über hundert Priestern, Bischöfen und Erzbischöfen zelebriert, beendete ein Symposium der Episkopatskonferenzen von Afrika und Madagaskar (SECAM), die sich damit Mitte Juli in Lagos (Nigeria) zu ihrer achten Vollsitzung zusammengefunden hatten. Die Teilnehmer, die dabei die weitere Ausbreitung des Evangeliums auf dem Kontinent feststellen konnten, verpflichteten sich, alle Anstrengungen aufzubieten, um der christlichen Mission in Afrika eine noch bessere Perspektive zu sichern. Zum inter-relieiö-sen Dialog äußerte die Versammlung die Hoffnung, daß die anderen Religionen ebenso große Beweise der Offenheit zeigten wie die katholische Kirche.

Zwei Tage später wurde unter dem Vorsitz von Kardinal Joseph Ratzinger die Synode der afrikanischen Bischöfe in Kinshasa (Zaire) eröffnet. Die Eröffnungsansprache des Kardinals behandelte sofort die Frage der Inkulturation, einen der empfindlichen Punkte der Versammlung. Uberall im christlichen Afrika ist die Inkulturation nicht einfach eine Auseinandersetzung zwischen Theologen. Diese Auseinandersetzung geschieht täglich an der Basis, auf dem seelsorgerischen Niveau.

Bei der ersten Welle der Evangelisierung wurde das europäische Modell allzu uniform den afrikanischen Völkern aufgedrängt, ohne Rücksicht auf den ren schon zairische Riten in die Messe eingeführt hat. Das hat übrigens eine Spannung zwischen dem zairischen Klerus und der vatikanischen Glaubenskongregation mit sich gebracht, die erst 1986 mit einem Kompromiß ausgeglichen werden konnte. In diesen Versuchen, „die Christenheit zu afrikanisieren“, gibt es drei Richtungen:

• das Modell der Ubersetzung der evangelischen Botschaft in einen nicht-westlichen Kontext;

• das Modell der afrikanischen Identität, Wiedererlangung der kulturellen Identität;

• das Modell der Befreiung.

Die Synode hat sich auf einen Punkt konzentriert, der innerhalb des afrikanischen Klerus fürheiße Diskussionen sorgt, die Polygamie, gegenüber der es vier grundsätzliche Haltungen gibt: Polygamie ist Sünde; Polygamie ist eine minderwertige Form der Ehe und für einen Christen unannehmbar; Polygamie ist eine echte Ehe, aber nicht so hochstehend wie die Einehe; Polygamie und Monogamie sind gleichwertig, sie entsprechen zwei verschiedenen gesellschaftlichen Systemen.

Für einen Afrikaner scheint es wünschenswert, daß, ohne Polygamie zu verteidigen, die seelsorgerische und liturgische Praxis etwas geschmeidiger gehandhabt wird. Denn es ist nicht einfach, zutreffende und überzeugende Argumente zu finden, um einem Polygamen die Taufe und die Eucharistie zu verweigern. Und wenn die Kirche den afrikanischen Christen, deren eheliche Traditionen anders sind, die Monogamie aufzwingt, macht sie sich nicht der kulturellen Entfremdung schuldig, deren sie immer angeklagt wird? Denn für den Afrikaner ist der Tausch der Ringe anläßlich des christlichen Sakraments nie der rechtlich entscheidende Akt. Für ihn schließt sich eine Ehe in mehreren Etappen und wird erst gültig mit der Geburt des ersten Kindes.

Ein weiterer wichtiger Punkt: die Afrikanisierung des Klerus. Heute ist einer von vier Afrikanern Christ. Das sind Millionen von Christen. Selbst wenn sie sich bestens mit den Teams der Missionare verstehen, so würden sie sich doch besser mit Priestern fühlen, die ihre Sprache sprechen und von Kindheit an ihre Sorgen kennen. Von den 16.000 in Afrika tätigen Priestern kommen 70 Prozent aus Europa und Amerika. In Senegal etwa sind von 100 Priestern nur 20 Senegalesen. - Äeute läßt sich eine neue Welle von Glaube und Berufungen feststellen. Der Vatikan sollte also dem afrikanischen Klerus mehr Spielraum lassen, damit dieser die Verantwortung für die Afrikanisierung von Liturgie und Theologie übernehmen kann, im Interesse der christlichen Missionierung des Kontinents.

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