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Nicht nur Gold

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Zweifellos geht ein großer Teil der Faszination der Ausstellung „Goldschätze der Thraker — Thrakische Kultur und Kunst“ (über die wir bereits in der 8. Folge 1975 der FURCHE ausführlich berichtet haben) allein schon von der geheimnisvoll leuchtenden Menge und Masse jenes Edelmetalls aus, das der Menschheit seit eh und je so viel bedeutet hat und — wie man sieht — noch heute bedeutet. Man sollte aber seine Augen nicht von seinem Glänze blenden lassen und auch jene wesentlichere Verzauberung entdecken, für die es selbst nur Folie und Werkstoff abgibt: als Form-träger des Ausdruckswillens verschiedenster, oft widersprüchlicher Kulturen, die auf der Balkanhalbinsel aufeinandertrafen, zusammenprallten, sich mischten und befruchteten. Anders als in der Ausstellung der „Archäologischen Funde in der Volksrepublik China“ steht man hier nicht einer in fast völliger Isolation wachsenden Kultur gegenüber, sondern einem Schmelztiegel, einer Drehscheibe der europäischen Geschichte. Schon die steinzeitlichen Idole sind die erste Überraschung, findet man doch unter ihnen einige, die auf einen Zusammenhang mit der Kunst der Kykladen und Kleinasien hindeuten. Der Goldschatz von^Varna — zum erstenmal gezeigt — ist die zweite.

Hier liegen Schmuck und In-signien von erstaunlich hohem Formniveau neben Feuersteinwerkzeugen und bieten ein völlig ungewohntes Bild vom materiellen Reichtum einer Steinzeitkultur. Die seltsamen Buroerangformen geben dazu noch besondere Rätsel auf. Der aus dem 13. bis 12. Jahrhundert vor Christus stammende Goldschatz von Valcitran, das erste Beispiel eigentlich thrakischer Kunst, mit seinen schönen, einfachen, großzügigen und sparsam verzierten Formen, weist auf Beziehungen zu Kreta und Mykene hin. Seine Stücke sind Meisterwerke der Goldsohmiedearbeit. Der Charakter eines Schmelztiegels wird in Thrakien besonders im ersten Jahrtausend vor Christus ersichtlich, anfänglich in der formalen Verarmung der Grabbeigaben der frühen Eisenzeit, die durch die Annahme von Einflüssen aus Makedonien, Griechenland, aus Persien und dem Skytenreich kompensiert wird und im neuerlichen Aufschwung seiner Kunst ab 525 vor Christus als neben einer zum Teil epigonal syn-kretistischen Kunst elegante und fast dekadente Formen wie die der Helme und Rüstungen neben solchen ornamentaler Abstraktion entstehen.

Im Schnittpunkt zwischen Ost und West tritt hier — nach einer Formulierung Hausensteins — Barbarisches neben Klassisches und Stücke wie die des Goldschatzes von Panag-juriste, mit ihrem hellenistischen Dekor aus der Hand von kleinasiatischen Griechen stammend, lassen im Niedergang nicht nur den Reichtum der Thraker, sondern auch den unerbittlichen Wellenschlag der Geschichte ahnen und deutlich werden. Eine also doppelt faszinierende und lehrreiche Ausstellung: (Die Ausstellung ist bis Ende Mai zugänglich.)

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