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Die Waffen nieder — an die Arbeit!
Seither ist tatsächlich Ruhe eingetreten, und damit wurde die wichtigste Voraussetzung für ein Abflauen der Wirtschaftskrise geschaffen. Der neue’ Finanzminister, Dr. Tomäs Carillo B a t a 11 a, hat ein mildes Devisengesetz erlassen, das den alten Kurs des Dollars festhält, den Bolivar nicht abwertet. Um Investitionen, insbesondere auf dem darniederliegenden Bausektor, zu fördern, wurde für alle Neugründungen, sowohl für den Zinsendienst als auch für die Kapitalrückzahlung, der alte Dollarkur® von 3.35 Bolivar ausdrücklich zugelassen. In den ersten 50 Tagen der Kontrolle wurden 500 Millionen Dollar laut Angabe der Banco central an Devisen erspart. Im Dezember 1960 war der Bolivar mit 73,14 Prozent gedeckt. Der Finanzplan Batallas wurde von den wirtschaftlichen Gremien, die zur Äußerung und Beratung aufgerufen wurden, günstig aufgenommen. Er sieht Vorauszahlungen der Petroleumindustrie, die bereits begonnen haben, vor. Eine Umfrage in vielen südamerikanischen Staaten hat ergeben, daß Hilfe ä la Marshall-Plan nicht erwünscht und nur Kredite und Handelsaustausch nötig seien.
Die immer wieder hinausgeschobene Agrarreform wurde in Angriff genom- nen und zunächst die riesigen Latifundien von Jimenez und seinen Anhängern an mehr als 10.000 Familien verteilt. Die Errichtung von Kolchosen wird von der Regierung abgelchnt. Der Erzbischof von Caracas erklärte sich mit der Regierung solidarisch, er und die christlichen Syndikate riefen zum Kampf gegen rote Diktatur auf.
Das ganze Land verlangt keine Regierungsänderung, nur eine lange Periode sozialer und politischer Ruhe. Kann Betancourt diesem allgemeinen Wunsch nachkommen, so wird die Voraussage einer hiesigen, extrem links stehenden Zeitung — an die übrigens auch die Kommunisten in Caracas glaubten - nicht in Erfüllung gehen: sie bezeichnete Venezuela als den voraussichtlich nächsten Staat Amerikas, der das System Fidel Castros übernehmen werde. Im Gegenteil: vielleicht hat ein Wink aus Moskau bewirkt, daß in allerjüngster Zeit der ewige Revolutionär auf Kuba nicht mehr siegen will, sondern abrüstet und seine Miliz aufruft, statt im Schützengraben zu sterben, an 365 Tagen im Jahr zu arbeiten.
So ist das Problem Venezuelas das Problem Lateinamerikas geworden. Das Schicksal Betancourts, nicht das Castros, wird sein Schicksal sein. Der „Fidelismus” legt die Waffen nieder, der „Romulismus” geht an die Arbeit.
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