7066927-1992_08_04.jpg
Digital In Arbeit

Der Rebellenführer: Nur ein ausgeflippter Rambo?

19451960198020002020

Venezuelas demokratische Regierung hat den militärischen Putschversuch vorvergangene Woche zur Not überstanden. In Caracas setzt nun Präsident Carlos Andres Perez alles daran, den Rebellenführer Oberst Hugo Chaves als ausgeflippten Rambo-Typ abzutun. Demnach wären die Vorfälle in Venezuela also nicht der Rede wert?

19451960198020002020

Venezuelas demokratische Regierung hat den militärischen Putschversuch vorvergangene Woche zur Not überstanden. In Caracas setzt nun Präsident Carlos Andres Perez alles daran, den Rebellenführer Oberst Hugo Chaves als ausgeflippten Rambo-Typ abzutun. Demnach wären die Vorfälle in Venezuela also nicht der Rede wert?

Werbung
Werbung
Werbung

Sie sind es doch: Der Oberst, der zwar kapitulierend, aber in Siegerpose, im Femsehen auftreten durfte, sieht nur eine Fingerübung gescheitert. Immerhin waren an der knapp zwei Tage dauernden Aktion, die an die 80 Tote (in der Überzahl unbeteiligte Zivilisten) forderte, die Elitetruppe der Fallschirmjäger gemeinsam mit 10.000 Mann, also 20 Prozent der Streitkräfte, beteiligt, die vom rasch besetzten Militärflugplatz im Zentrum von Caracas aus ihre Aktion starteten (angesichts dieser Daten fragen Militärexperten, welche Fehlplanung eigentlich die Ursache für das Scheitern des Putsches ist...).

Oberst Chaves, trotz massiver Verurteilungsdrohungen der Zivilregierung lediglich in „Festungshaft" bei seinesgleichen, will einer kontinentalen Bewegung vorausmarschieren, die unterBerufung auf Simon Bolivar die Würde der lateinamerikanischen Vaterländer wiederherstellen soll.

Wer hat diese Würde, angeblich, verletzt? In Venezuela - den Putschisten zufolge - der Präsident, der die nationalistische Linie der siebziger Jahre der heutigen Restrukturierung geopfert hat; in ganz Lateinamerika die demokratisch gewählten Staatschefs, welche den Neoliberalismus praktizieren und damit die dekadenalte Tradition des Wirtschaftsnationalismus vom Tisch fegen.

Der Putschversuch von Oberst Chaves macht deutlich, daß es eine kräftige, wenn auch bisher unterschwellige Opposition gegen die liberale Öffnung Lateinamerikas gibt, die jetzt ihr Unbehagen zu artikulieren beginnt.

Ein Zeichen dafür mag auch sein, daß die Bevölkerung in Caracas auf den Putschversuch im allgemeinen apathisch oder passiv positiv reagierte; daß in einigen Armenvierteln den Putschisten sogar zugejubelt wurde, weil den Menschen, wie die Blitzumfrage der Zeitung „El Universal" ergab, 34 Jahre Demokratie nur Armut und Unsicherheit gebracht hätten. Unter der Diktatur habe es wenigstens eine Kontrolle der Kriminalität und Brot auf dem Tisch gegeben. 81 Prozent der Befragten sagten, sie hätten jedes Vertrauen in die Regierung des Präsidenten verloren.

Das Versprechen der Putschisten, die Bürokratiebarrieren einzureißen, die Parteienherrschaft zu brechen und mit der Korruption aufzuräumen (Versprechen, mit denen sich in Lateinamerika schon so manche progressive Jungmilitärs an die Regierung geputscht haben, nur um früher oder später mangels Kontrollinstanzen selbst eben diesen Früchten der Macht zu erliegen), traf auf offene Ohren. Denn, so ein Optiker aus Caracas' San Juan-Viertel dem „The Miami Herald" gegenüber, „diese Demokratie ist für die Reichen, für die, die sich den Politikern anbiedern und auf diese Weise reicher werden".

Präsident Carlos Andres Perez, inzwischen drei Jahre im Amt, kann durchaus Erfolge vorweisen: Venezuelas Wirtschaft wuchs im Vorjahr um mehr als neun Prozent; das Budget ist ausgeglichen; es gibt 15 Milliarden Dollar Devisenreserven; die Inflation kann mit 30 Prozent für hiesige Verhältnisse als gebändigt betrachtet werden. Wie in anderen Staaten des Subkontinents auch, basieren solche Erfolge auf der neoliberalen Restrukturierung.

Daß dabei die Hälfte der Venezulaner an oder unter der Armutsgrenze -also weit schlechter als in den siebziger Jahren - lebt, wird offiziell heruntergespielt. Dies mag der Grund sein, warum der Präsident die Schuldigen am Putsch just bei der Presse sucht. Sie habe zu viel Negatives berichtet, sie habe eine destruktive Wirtschaftskritik betrieben - und prompt wurde deshalb die Zeitschrift „Zeta" beschlagnahmt.

Der nicht zuletzt vom Internationalen Währungsfonds empfohlene Neoliberalismus mit seinen gesamtwirtschaftlichen Erfolgen macht in Lateinamerika tatsächlich die Reichen reicher, ohne die Armen zu retten.

Die Militärs sehen ihre nationalistischen Maximen liquidiert. Die Schüsse in Caracas durchbrachen das Schweigen und melden laute Auseinandersetzungen an. Nicht nur in Caracas.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung