6817347-1973_16_10.jpg
Digital In Arbeit

„Wirk uns ein Wunder“

Werbung
Werbung
Werbung

Der Mozartsaal des Wiener Konzerthauses war bis zum letzten Platz gefüllt. Das Publikum war nicht aus Neugierde oder Sensationslust gekommen, sondern war zutiefst interessiert und wurde nicht enttäuscht: Diese Klangwelt, Formengestaltung und Harmonik sind voll von jugendlichem Schwung und vorwärtsdrängender Dynamik. Daß es kein „Altern“ gibt in der Kompositionskraft von Raimund Weissensteiner zeigten die Aufführung seiner „Fünf konzertanten Etüden für Klavier“, die 1931 geschrieben wurden, und die Uraufführungen des Liederzyklus „Was seine Liebe ist, das ist der Mensch“ des II. Streichquartetts und des Kammeroratoriums „Wirk uns ein Wunder!“, die 1972 komponiert wurden.

Die Klavier-Etüden, die Weissensteiner seinerzeit seinem Lehrer Franz Schmidt vorspielen durfte und die er anläßlich seiner Diplomprüfung vortrug, wurden auch bei diesem Konzert mit viel Beifall bedacht. Der Interpret, Professor Hans Graf, errbachte eine glanzvolle Leistung, werden doch diese Klavier-Etüden von allen Pianisten, die sie bisher spielten, einhellig als zu den schwersten Werken der Klavierliteratur gehörige Werke bezeichnet.

Auch der jüngste Liederzyklus

„Was seine Liebe ist, das ist der Mensch“ zeugt vom Ausdrucks- und Formwillen seines Schöpfers. Weissensteiner wählt die Texte, die er vertont, selbst aus. Und er setzt die Akzente vor allem als Priester: erschütternder Höhepunkt im Liederzyklus ist der als Melodrama gestaltete Bericht über den Märtyrertod des polnischen Franziskanerpaters Maximilian Kolbe im Konzentrationslager Auschwitz.

Den zweiten Teil des Konzertabends bildete das Kammeroratorium „Wirk uns ein Wunder!“ Weis-sensteiners großes Konzept ist hier ebenfalls schon in der Auswahl der Dichtung und in der Nachdichtung zu erkennen. Vergleichbar mit dem Dramenbau ist die spannungsgeladene, einheitliche Idee der Worte, in welcher die Musik wurzelt, unerbittlich in der Sprache, eindrucksvoll im Gehalt. Weissensteiner stellt in einer fast apokalyptischen Schau die Tragik des Unglaubens dar, der selbst die Wundermacht Gottes in Ohnmacht verkehrt.

Wenn man die Kompositionen von Raimund Weissensteiner, die an diesem Konzertabend von den Zuhörern stürmisch akklamiert wurden, zutreffend würdigt, dürfen freilich auch die künstlerischen Leistungen der Mitwirkenden entsprechend belobt und bedankt werden: Traute Skadal, Sopran, Franz Donner, Tenor, Eberhard Kummer, Bariton, Roman Ortner, Klavier, ein Streichquartett mit dem Kammerchor Sankt Othmar, Wien, sowie der schon genannte Prof. Hans Graf.

• Durch den österreichischen Botschafter in Amerika wurde an Lotte Lenya, die Witwe Kurt Weills, als Ehrengeschenk der Stadt Wien eine Silbervase überreicht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung