"Ach, du bist doch meine Braut"

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Vor 250 Jahren starb Johann Sebastian Bach in Leipzig, wo er viele Jahre als Thomaskantor und "Director musices" wirkte.

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Vor 250 Jahren starb Johann Sebastian Bach in Leipzig, wo er viele Jahre als Thomaskantor und "Director musices" wirkte.

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Hauptbahnhof Leipzig im Jahr 2000: Zahlreiche Plakate weisen den Weg zu dem großen Komponisten. Leipzig steht ganz im Zeichen des reifen und alternden Komponisten, der 1723 als Thomaskantor und "Director musices" hierher bestellt worden war.

Es ist nicht weit vom Hauptbahnhof über den Sachsenplatz und die Reichsstraße zum Thomaskirchhof mit der gleichnamigen Thomaskirche aus der Mitte des 12. Jahrhunderts. Davor steht das Bach-Denkmal von Carl Seffner und Wilhelm His, das 1908 enthüllt wurde. Von Fremdenführern wird gerne auf die 2,45 Meter hohe Figur auf einem Postament aus Muschelkalkstein, mit der linken Hand auf eine Orgel gestützt, die auf der Rückseite die 1902 abgebrochene Thomasschule mit der Wohnung des Kantors zeigt, hingewiesen. Das alte Bach-Denkmal ließ 1843 Mendelssohn-Bartholdy im Stil der Romantik durch Eduard J. F. Bendemann und Julius Hübner errichten. Leipzig hatte "seinen Bach" erst relativ spät entdeckt, als Mendelssohn erstmals nach Bachs Tod die Matthäuspassion in der Thomaskirche aufgeführt hatte.

Ins Bosehaus, Thomaskirchhof 16, zogen noch in DDR-Zeiten im Jahr 1985 die "Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten Johann Sebastian Bach". In diesem Haus fanden seinerzeit intime Musikveranstaltungen statt, bei denen gelegentlich auch Bach auftrat. 1951 wurde das Bach-Archiv aus dem Gohliser Schlösschen hierher verlegt, es umfasst 1.000 Erst- und Frühdrucke, 3.000 Schallplatten, 81.000 Negative und Fotokopien von Duetten sowie 4.950 Bände und Hefte von Ausgaben Bachscher Werke in- und ausländischer Verlage. Das 1985 gegründete Bach-Museum würdigt in fünf Räumen die universellen Leistungen des Kantors.

Johann Sebastian Bach wurde am 21.3.1685 in Eisenach geboren. Nach dem Tod der Eltern kommt der kleine Johann Sebastian zu seinem Bruder nach Ohrdruf. In Lüneburg legt er 17jährig bereits das Abitur ab. Ein Jahr später, im Jahr 1703, arbeitete Bach in Arnstadt als Organist. Ab 1705 begann er sich in Lübeck auf seine zukünftige Tätigkeit vorzubereiten, indem er dem Organisten Buxtehude bei dessen Spiel assistierte. Im Jahr 1707 wechselte Johann Sebastian Bach nach Mühlhausen und heiratet seine erste Frau Maria Barbara. In Mühlhausen wurde er mit familiärer Unterstützung zum Organisten bestellt. Bereits ein Jahr später kehrte er in das etwa 70 Kilometer entfernte Weimar zurück, diesmal als fürstlicher Hoforganist. Später wird er Konzertmeister auf dem Roten Schloss in Weimar. Hier komponiert er sich an die Spitze der zeitgenössischen Musik. Im Jahre 1717 wechselt er als Hofkapellmeister nach Köthen und heiratet dort ein halbes Jahr nach dem Tod seiner ersten Frau im Jahr 1721 die Sängerin Anna Magdalena Wilcke.

1723 wird Johann Sebastian Bach als Thomaskantor und Director musices nach Leipzig berufen. Durch diese Berufung wird er für die Musik der zwei Hauptkirchen zuständig. Im Jahre 1729 kommt eine weitere Aufgabe auf ihn dazu: Er übernimmt die Leitung des Collegium musicum.

Anna Magdalena schrieb über die Ankunft der Familie in Leipzig (Die kleine Chronik der Anna Magdalena Bach, wieder aufgelegt A.D. 1936 bei Koehler & Amelang, Leipzig): "Als wir in Leipzig in der letzten Maiwoche des Jahres 1723 ankamen mit unserm ganzen Hab und Gut und der ganzen großen und kleinen Familie und vor der Tür des Kantorhauses stille hielten, sprang Sebastian als erster vom Wagen und bestand darauf, mich nach altem deutschen Brauch über die Schwelle zu tragen. ,Du bist ja eigentlich noch nicht viel anderes wie eine Braut' sagte er und küsste mich auf der Schwelle. Nach uns kam seine liebe schöne Tochter Dorothea und trug meine kleine Christiane auf ihrem Arm. Sebastian fing meinen Blick auf dies Kind auf. ,Ach' rief er da mit seinem guten, breiten Lachen, ,du bist doch meine Braut und wenn du zwanzig Kinder hättest!'"

Über ihr Haus in Leipzig schrieb Anna Magdalena: "Dies Haus bildete einen Teil der Thomasschule, war an einer Seite an diese angebaut und hatte nur zwei Stockwerke. Es war ganz hübsch und bequem, doch als wir es acht Jahre bewohnt hatten und unsere Familie noch beträchtlich gewachsen war, erwies es sich doch als zu klein und wir bezogen für einige Zeit das Haus zur Windmühle, während man ein Stockwerk auf das Kantorhaus aufsetzte. Diese Erweiterung verschaffte uns neben ein paar anderen Räumen ein sehr heiteres großes Musikzimmer, von dem aus ein Gang in den großen Schulraum der Thomasschule führte, und diese Einrichtung war für Sebastian sehr bequem und angenehm."

Aus den Tagen des Johann Sebastian Bach finden sich in Leipzig freilich nur wenige Bauten. Selbstverständlich zählen dazu an erster Stelle die Nikolaikirche, ursprünglich aus dem 12. Jahrhundert mit dem heutigen Aussehen aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Unweit von Nikolai- und Thomaskirche befindet sich das Alte Rathaus an der Ostseite des Marktes. Es ist Leipzigs schönster Bürgerbau und eines der berühmtesten Renaissancerathäuser Europas. Erbaut wurde es 1556 unter der Leitung von Hieronymus Lotter, Bürgermeister von Leipzig, aus rotem Rochlitzer Porphyrtuff. Die alte Ratsstube mit Wandtäfelung und geschnitzter Kassettendecke aus dem Jahr 1556 gilt als schönster historischer Raum der Stadt. Hier findet man auch ein Bach-Porträt von Elias Gottlob Haußmann. Zahlreiche Bauten wurden bereits am Beginn des 20. Jahrhunderts umgebaut, sodass von der Renaissancepracht nicht viel übrigblieb. Meistens nur ein Renaissanceerker und ähnliches wie am Barthels Hof an der Westseite des Marktes. An der Südseite des Marktes finden sich noch Reste eines Renaissancebaus - das Königshaus, das 1912 so genannt wurde, weil die Wettiner die erste Etage als Gästehaus nutzten. Hier wohnte 1698 Peter der Große und 1705 König Karl XII. von Schweden. 1813 nahm hier Napoleon Abschied von Sachsens König und Fürst Schwarzenberg, vormals Befehlshaber der Verbündeten in der Völkerschlacht, starb im Königshaus im Jahre 1820.

Jeder Stadtführer hebt den beeindruckenden Ausbau des Erkers und die 1965/66 rekonstruierte Königshauspassage mit ihrer Verbindung zur Messehofpassage hervor. In Leipzig zu lustwandeln, heißt natürlich nicht nur den Spuren Johann Sebastian Bachs zu folgen, sondern auf Schritt und Tritt mit deutschem Geist konfrontiert zu werden. Sei es auf dem Gebiete der Musik, wie Mendelsson Bartholdy oder der Dichtkunst wie Friedrich Schiller und Johann Wolfgang von Goethe.

Auch nach der 250-Jahr-Feier im Sommer ist ganz Thüringen noch immer Bühne. Zum Beispiel mit der Bachwoche der Hochschule für Musik in Weimar vom 6. bis 11. November und letztendlich ist das Weihnachtsoratorium in der Thomaskirche zu Erfurt am 16. und 17. Dezember 2000 zu hören.

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