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Das Schaffhausener Bach-Fest

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Ein Schweizer Mitarbeiter berichtet der „Furche“:

„Welcher Reichtum, welche Fülle an Kunst! Welche Kraft, Klarheit und dennoch prunklose Reinheit spricht aus diesen einzigen Musikwerken“, schreibt Richard Wagner über etliche der ewigen Werke Bachs. Das Schaffhausener Bach-Fest hat in diesen Tagen gleichsam diese Worte Wagners zum Motto gehabt. Es wurde ein internationales Fest von besonderer Größe. Die hervorragenden Ausländer des Festes waren: Ribaupierre (E-Dur-Konzert und die Chaconne), der Pariser Marcel Dupre, ein Fortsetzer der ganz großen Bach-Orgelspiel-Tradition, und der Meister der Flöte J a u n e t. Wilhelm Backhaus (seit etwa drei Monaten Schweizer) übertraf mit der Weihe seines Musizierens alle in *ein Spiel gesetzten Erwartungen; seinem hhen Künst-lertum entspricht nur ein Wort: Erfüllung! Die ob ihrer exponierten Aufgaben hervorragend beschäftigten Schweizer Musiker und Musikkörperschaften waren die bedeutenden und hochangesehenen Dirigenten Disler, Henking und S a c h e r (an der Spitze der gemischten Chöre von Winterthur und Schaffhausen, des Colle-gium musicum und des Festorchesters — des Stadtorchesters Winterthurs), die Organisten Binde, Funke und Mathaei, geschätzte Bach-Kenner, die Sängerinnen und Sänger: Maria Stader, Helbling und Gamper und Canzani (als vorbildlicher Evangelist), Schey, Mack. Baur, Huggler; die instrumentalen Solisten: Baumgartner, Hamberger und Andreae — und der gute Geist des ganzen Festes: Walther R e i n h a r t und der Reinhart-Chor. „Schaffs mit Gott nach deinem Willen!“ — das lenkt das Bach-Musizieren Reinharts seit Jahrzehnten! Eben seit Jahrzehnten ist Reinhart ein Bach-Gelehrter und überdies ein Bach-Beschwörer und als Bach-Beschwörer ein Bach-Eingeweihter, dem das Tiefste und Geheimnisvollste in allen Bach-Werken — auch in den nur sehr weniger bekannten — vertrautes Wissen ist; das aber macht das Einmalige des Reinhartschen Bach-Musizierens aus; dadurch gewinnt das Rein-hartsche Bach-Musizieren das sonst Unerklärliche einer fesselnden Faszination. Diesmal — während des Bach-Festes — haben noch andere mitgeholfen, alles voll gelingen zu lassen: der berückende Zauber des malerischen Städtchens Schaffhausen und das erhebende Gefühl, ein außerordentlicher, verheißender Anfang ist gemacht. Eine schöne Stadt und ein Wunderland haben es gewagt, mit Bach die Menschheit zur Besinnung zu rufen. Gelehrte wie Professor Brunner als Festprediger, Professor Bohnenblust als Festredner und Ina Lohr als Musikwissenschaftlerin assistierten dem Erzmusiker Reinhart und den anderen Musikern des Festes. Aber — das schwere Gewicht war doch in den Werken und in der Art gelegen, wie diese Werke zur Geltung gekommen sind. „Bei Gott hat seine Stelle das menschliche Geschlecht!“ — eine Weisheit, die jedes ewige Bach-Werk immer wieder lehrt, mag es die Johannes-Passion sein oder die Hohe Messe oder eine der überirdisch schönen Motetten oder einer der eine ganze Welt des Schönen in sich schließenden Choräle oder eines der reinen Instrumentalstücke, die gemeinsam das Programm dieses Festes bestritten hatten. Wo Bach nur instrumental schreibt, dort meint man ein Meer von Menschenstimmen zu hören, und wo er rein vokal schreibt, meint man ein überdimensionales Orchester mitzuhören ... Und — dient der Reinhart-Chor einem Bach-Werk, dann vereinigen sich diese metaphysischen Klangkörper zu höchster Wirkung.

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