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Johann Sebastian Bach

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J. S. Bach als Meister der Gemüths-Ergoetzung. Speer-Verlag, Zürich. J. S. Bach als Meister der Farben. Ed. Eulenberg, Zürich. Beide von Anne Gertrud H u b e r.

In der Frage der „geistigen Voraussetzungen“ des Bachschen Schaffens hat die Musikwissenschaft noch manche Lücke zu schließen. Das unmittelbare geistige Medium der Schaffenstradition, in dem der junge Bach sich formte, in und au6 dem heraus er dann schuf, zu ergründen, diese Aufgabe ist die Verfasserin in ihrer ersten Schrift zielsicher angegangen. An Hand reichen zeitgenössischen Materials weist sie als Kerr dieser Tradition das noch lebendige Wirken der Musica-mundana-Idee des Mittelalters auch für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts nach und legt ihre Ausgliederung in den theoretischpraktischen Prinzipien der musikalischen Rhetorik, der Affektentheorie und schließlich auch in dem Begriff der „Gemüthsergoetzung“ bloß. „Hinter dem naiven Ausdruck .Gemüths-Ergoetzung' stecken zwei gewaltige Impulse: das Apollinische und das Christliche. In einzigartiger Weise gelang es Bach, bald nach der einen, bald nach der anderen Seite hin die einzelnen Impulse lebendig werden zu lassen, um sie in seinen Cantaten, Messen, Oratorien und schließlich in der Kunst der Fuge in einer einzigen Synthese ertönen zu lassen.“ (60)

Im einzelnen ist die Verfasserin der Gefahr subjektiver Hermeneutik nicht ganz entgangen. Die Annahme, mit der sie sehr ernsthaft kokettiert, daß Bach in seinen Kammerwerken

Persönlichkeiten jder Umwelt schilderte, bedürfte wohl gründlicher Verifizierung. Der Anhang bricht In der Frage „Klavier oder Cembalo“ erneut eine Lanze fürs Klavier unter Hinweis auf Bachsche Praxis. — Der Sturmlauf der zweiten Abhandlung gegen den Dynamismus der Bachinterpretation und für die „Terrassendynamik“ scheint angesichts des Standes der Forschung etwas verspätet, kann also nur für die Popularisierung Geltung haben. Doch bringt das Büchlein eine interessante und reiche Zusammenstellung der Bachschen Dynamikformen. Auch hier ist die Nachwirkung der Musica-mundana-Idee der Tenor der Darstellung. Dr. Andreas L i e s s

Johann Sebastian Bach. Das Orgelwerk. Mit einem Versuch über den musikalischen Ausdruck und das religiöse Empfinden. Von Francois F1 o r a n d. Einleitung von Marcel Dupre. Ins Deutsche übertragen von Gotthold Frotscher und Kurt Lamerdin. Verlag Franz Perneder, Wien.

An den Abenden eines von Marcel Dupre veranstalteten Bach-Zyklus gehaltene kommentierende Vorträge sind vom Verfasser hier zu einem überaus eigenartigen und wertvollen Buche gesammelt. Wenn man die sehr weitgehende symbolische Deutung und zuweilen im wesentlichen doch persönliche Auslegung unserem Bach-Erleben als nicht immer gemäß zu bezeichnen geneigt ist, so bleibt dies der einzige Einwand. In der Tat ist hier mit Glück der bisher kaum beschrittene Weg versucht worden, vom Religiösen her in das musikalische Werk Bachs einzudringen, es im gottesdienstlichem Sinne gleichsam aufzurollen und damit die Gläubigen an J. S. Bachs tönende Gläubigkeit heranzuführen anstatt wie bisher umgekehrt. Und dieser Weg erweist sich als ein Schlüssel, der tiefer in das Verständnis Bachs zu führen vermag als musikalische Erkenntnis allein, der die gewissermaßen „dogmatische“ Kunst des Thomaskantors verschlossen bleibt. Völlig anders Ist diese Deutung freilich als beispielsweise bei Anton Bruckner, da die Bogenspannung des Gefühls, dort höchster klanglicher Ausdruck, sich hier im zeichnerisch Linearen und der zwingenden Logik der Schlüssel verbirgt und sich dennoch ebenso bezwingend mitteilt. Viel ausgezeichnet Fachmännisches ist in dem Buche, zu dem einer der bedeutendsten Organisten Europas die Einleitung schrieb, gesagt, darüber hinaus aber, wie wir glauben, sein Wertvollstes, das in transzendentale Bezirke Vordringende, auch wenn dieses, wie erwähnt, gelegentlich über unsere Gewohnheit hinausgeht. Den Verehrern Bachs, insbesondere seiner Orgelkunst, wird dieses Buch ein besonders wertvoller Freund und Deuter sein.

Prof. Franz Krieg

Das Leben Mariens, der Mutter des Herrn,

erzählt nach den Zeugnissen der Heiligen Schrift, Geschichte und Legende. Von Robert Morel. Walter-Verlag, Ölten. 236 Seiten.

Ein Roman von der Gottesmutter? Unwillkürlich wird in jedem christlichen Empfinden ein Erschrecken spürbar werden. Es scheint beinahe, daß Maria noch unantastbarer empfunden wird als Jesu6. Und dann — sind die wenigen Stellen der Schrift nicht doch zu schmal, um auf ihnen etwas aufzubauen, das nicht zum übergroßen Teil Schöpfung einer Phantasie (und wa6 ist subjektiver als diese?!) sein muß. Aber — man täuscht sich; denn es ist erstaunlich, welche Fülle an konkretesten Erkenntnissen die biblische Zeitgeschichte liefern kann. Und wie erst in diesem Licht der Text der Heiligen Schrift seine volle Dimen-sionalität erhält. Und auch die fromme Uberlieferung wird einem feintastenden Geist sehr koßtbare Anhaltspunkte geben. Wenn nun.

der Schreiber ein tief gläubiger und frommer Christ ist — und dazu ein wahrhaft begnadeter Dichter —, dann kann auch ein Marienroman gelingen. Morel erfüllt alle diese Bedingungen und sein Werk ist ein ehr großes Kunstwerk geworden. Er hat sich oft bis an den äußersten Rand des Möglichen (besonders In Einfühlung und Ausdruck) vorgewagt, daraus wird sich wohl auch das Packende dieses Buches erklären; um so schmerzlicher berühren einige seltene Stellen, an denen er doch über diesen Rand hinausging. Sie auszufeilen (vielleicht hätte das bereits die Obersetzung tun können, die sonst ausgezeichneterweise Angelika Propst und Eckart Peterich besorgten), wäre für eine hoffentlich erscheinende zweite Auflage wohl zu bedenken.

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