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Konzerte

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Die Musik, die Bach einst für die Trauerkantate zum Begräbnis einer Kurfürstin schrieb, gefiel ihm offenbar so gut, daß er sie für seine Markus-Passion nochmals verwendete. Z war ist ihr Text von Christian Friedrich Henrici, genannt Pican-der, veröffentlicht in dessen Sammlung „Ernst-scherzhafte und Satyrische Gedichte“, erhalten geblieben, die Musik zum Evangelienbericht und die Volkschöre aber sind verschollen. Dennoch fand man in Philipp Emanuel Bachs Kirchenliedersammlung Choräle und außerdem im Werk Johann Sebastian Bachs noch etliche Arien, auf die der Evangelientext paßte. So gelang Musikwissenschaftlern eine beachtliche Rekonstruktion jener dritten Bach-Passion, die am Karfreitag 1731 in Leipzig ihre Uraufführung erlebt und nun zum ersten Mal in Wien erklang.

Nach vorangegangener Kantate 46 über die Zerstörung Jerusalems mit extrem schwierigen und beachtlichen solistischen Leistungen musizierten Wiener Bach-Chor und Bach-Collegium unter Hermann Furthmoser • mit großem Engagement, anfangs noch befangen, doch allmählich zu großer Inbrunst sich steigernd die Bach'sehe Passion. Unter den erfreulich bemühten Solisten (Teresa Stich-Randall, Hi-toshi Hatano und Reginald Evans) gefiel vor allem Mary-Ann Hart mit ebenmäßigem Legato ihres klaren Mezzosoprans in exponierten Me-lismen und Koloraturen. Mit großem, erregendem Pathos sprach Helmut Janatsch den Evangelientext dieser dramatischen, zu Unrecht vergessenen Passion mit ihren lyrischen Chorälen, die auch in anderen Werken des Komponisten wörtlich wiederkehren. I. M. K.

Im Mozart-Saal präsentierte sich das neu formierte Alban-Berg-Quartett nach seiner Amerika-Tournee den „Jeunesses“. Gerhard Schulz, Bruder des „Cello“- und des „Flöten-Schulz“, spielt nunmehr die Sekundgeige, und im zweiten Streicherquartett von Bartök schien es, als hätte das Meisterensemble sogar noch an Klangqualität gewonnen. Hinreißend wieder einmal Präzision und Gelöstheit des Vortrags, bis ins letzte ausgefeilter Klang und schlackenlose Intonation, aber auch die vollkommene Erfassung der verschiedenen Ausdruckscharaktere dieser extrem individualistischen Musik. In sieben Duos von Bartök (einer Auswahl aus den 44 Duos von 1931) überließ Pichler dem neuen Kollegen den ersten Part, und Schulz bestätigte den hervorragenden Eindruck, den man schon eingangs gewonnen hatte. Darüber hinaus waren diese originellen Duos ein Volltreffer: So großartige „Schulmusik“ darf nicht auf (gute) Geigenstunden beschränkt bleiben! Den fulminanten Schluß bildete Beethovens op. 59/3. Bis auf winzige bogentechnische Details im Fugenthema des Schlußsatzes war auch das eine plattenreife Leistung!

Was fasziniert an Shura Cher-kassky am meisten? Obwohl man den Endzechziger aus der Geigerstadt Odessa bei uns schon lange kennt, ist diese Frage nicht leicht zu beantworten. Er vertritt einen selten gewordenen Typ des reisenden Pianisten, der sich nicht scheut, auch 100 und mehr Konzerte in einem Jahr zu geben - und dem das Publikum auch zuströmt. Klavier spielt er scheinbar unreflektiert, die Musik könnte von der Seele direkt in die Finger gehen. Gefühl ist alles, und seine sichere Virtuosität, sein Klangsinn und seine phänomenale Anschlagkunst verlassen ihn nie. So gibt er sich hin und damit sein Bestes. Im Musikverein gab es diesmal ausschließlich Chopin zu hören: in den tonalen Bereichen von F und Fis Angesiedeltes (Ballade op. 38, Barcarole op. 60, Noc-turnen op. 15/1 und 2, Fantasie op. 49) und die vier Scherzi. Was am meisten beeindruckte, war der leise Gesang der lyrischen Stellen: hohe Kunst, nach innen gewendet...

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