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Wege finden ins Settecento

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„Bach und seine Söhne“, das 18. Jahrhundert, war heuer das Thema der „Internationalen Festtage“ 1968 in Oberschützen, die von dieser keineswegs großen Gemeinde, unterstützt von der burgenländischen Landesregierung und dem Bundesministerium für Unterricht in Verbindung mit der neuen Deutschen Bachgesellschaft, veranstaltet wurden. Schon immer war Oberschützen ein Schulzentrum. Seit die nötigen Initiatoren vorhanden sind — an dieser Stelle muß Professor Adolf Schäffer als Organisator genannt werden — wurde ein Kulturzentrum daraus, in dem man sich heuer bemühte. Wege ins Settecento zu finden.

Einer der Höhepunkte dieser Woche war der Abend mit Jörg Demus, der Sonaten und Variationen von Mozart und Haydn spielte. Das Instrument, der Walter-Flügel (Nr. 18), einst im Besitz Joseph Haydns und heute ein wertvolles Schaustück des Haydn-Museums in Eisenstadt, wurde für diesen Anlaß zur Verfügung gestellt. Man gewöhnte sich bald an den kurzen prägnanten Hammerklavierklang, begann ihn auch zu schätzen, wenn ihn einer, wie Jörg Demus, mit Flair für Glanz und Effekt zu spielen weiß. Daß die Werke Haydns (vor allem die Es-Dur-Sonate) auf diesem historischen Instrument den idealen Klangvorstellungen am nächsten kamen, ist verständlich, wurden sie doch einst für dieses vom Meister komponiert.

Der Wiener Kammerchor unter Hans Gillesberger steuerte Kostproben aus dem großartigen Motettenwerk Bachs bei („Der Geist hilft unsrer Schwachheit auf“, „Singet dem Herrn“, „Lobet den Herrn, alle Heiden“). Die Evangelische Kirche in Oberschützen erwies sich da als akustisch idealer Aufführungsort. Unter denselben akustischen Bedingungen hinterließe auch die Aufführung des Musikalischen Opfers zauberhaften Eindruck; was allerdings nicht zuletzt Verdienst einer konzentrierten Interpretation aller Ausführenden war.

Im Rahmen einer Geistlichen Matinee erklangen der „Actus tragi- cus“ Bachs mit den Gesangssolisten Jane Gartner, Helga Wagner, Franz Lukasovsky und Wolfgang Gamerith sowie die Ausschnitte aus den Psalmen Cramers und den Oden Gellerts von Carl Philipp Emanuel Bach.

Unter den Temperaturen dieser sommerlichen Tage hatte besonders Johann Sonnleitner bei seinem Cembalo- und Orgelkonzert zu kämpfen; ebenso das Wiener Barockensemble unter Theodor Guschlbauer, das eigens für ein Konzert nach Oberschützen gekommen war und erst im zweiten Teil des Abends mit der „Sinfonietta C-Dur" von Johann Christian Bach und der ersten Orchestersuite Johann Sebastians einen würdigen Abschluß der Festtage bot. Frisch zeigten sich hingegen die Musiker bei der Eröffnung: Der ausgewogen interpretierten „Sinfonia concertante" von Johann Christian Bach, gespielt vom Kammerorchester der Expositur Oberschützen unter Michael Schnitzler, folgte die Ratswahl-Kantate unter Bernhard Klebel unter Assistenz des Wiener Motettenchors.

Nicht unerwähnt bleiben darf das Konzert im Haydnsaal des Eisenstädter Esterhazy-Schlosses unter Harald Dreo, der zwei lediglich in Manuskripten vorliegende Werke auf führte: den Psalm „Beatus vir“ von Antonio Caldara und das Cla- rino-Konzert von Michael Haydn. Der Burgenländische Kammerchor hat leider in vielen Details versagt.

Fachvorträge von Universitätsprofessoren des In- und Auslandes ergänzten die Konzerte: Der prominente Musikwissenschaftler aus Bloomington in Indiana Willi Apel, von dem im vergangenen Jahr sein umfangreiches Lebenswerk „Die Geschichte der Cembalo- und Orgelmusik“ in Deutschland im Druck erschien, wußte in Oberschützen viel über „Johann Sebastian Bach als Erbe der Tradition“ zu sagen. Ein aktuelles Thema berührte Harald Kauffmann, der die musdksoziologi- schen Aspekte des 18. Jahrhunderts aufzeigte. Über die Musik dieser Epoche ganz allgemein referierte Gerhard Croll (Salzburg), über Literatur

Walter Weiß (Salzburg) und über Kunstgeschichte Rupert Feuchtmüller (Graz - Wien). Gerda Kollers historisches Kolloquium über das Ende des alten Europa mußte wegen Terminschwierigkeiten entfallen. Sie griff dafür das Thema „Das 18. Jahrhundert“ des kürzlich verstorbenen Alphons Lhotzky auf. Der Instrumentenbauer Kurt Wittmayr aus Oberbayern demonstrierte am Hammerklavier die Entstehung des Wiener Flügels. Für das veranstaltende Land war schließlich der Vortrag von Harald Dreo über die Fürstlich Esterhazysche Kapelle in Eisenstadt von besonderer Bedeutung. Er nannte neben bekannten Komponisten auch den einen oder anderen unbekannten Namen vor und nach Haydn, Meister, deren Werke aufzuführen das Ziel der Musikverantwortlichen im Burgenland in Zukunft sein wird.

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