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Die Wiederentdeckung der Langsamkeit
Wien ist eine der reizvollsten Metropolen dieser Welt. Man kann diese Position in Zukunft noch verbessern, wenn man klug genug ist, Fehler, zu der jede Stadtverwaltung laufend gedrängt wird, zu vermeiden. Die Stärken von Wien sind das attraktive und leistungsfähige öffentliche Verkehrssystem einerseits und die Wiederentdeckung der Fußgeherbereiche andererseits. Es sind schwere Rückschläge entstanden, und zwar durch Planungsfehler bei der Landstraßer Hauptstraße und der Mariahilfer Straße, durch den Rückfall in eine unglaublich provinzielle Auffassung von Verkehrslösungen. Eine Hypothek für die Zukunft bilden auch die in den vergangen Jahrzehnten entstandenen monofunktionalen Stadtviertel an den Ausfallstraßen im Norden und Osten, als Ergebnis einer dem Städtebau verständnislos gegenüberstehenden Architektur. Die Zukunft wird daher von der Vergangenheit und auch von der Gegenwart vorgeprägt. Jede Maßnahme und jede politische Entscheidung kann der Zukunft daher entweder neue Möglichkeiten eröffnen oder ihr die Chancen nehmen.
Ein Glück für Wien war der war
Umstand, daß der Bürgerwiderstand den hemmungslosen Autobahnbau, der andere Städte längst ruiniert hat, doch in Grenzen halten konnte, sodaß sich im wesentlichen bisher nur zwei Autobahnstränge durch die Stadt ziehen, die aber wie Todesadern bereits heute Kaufkraft, Arbeitsplätze und damit Substanz der Stadt nach außen spülen. Die aus heutiger Sicht vorsintflutlich anmutenden Bemühungen für den
Bau weiterer Autobahnen in diesem Baum entstammen einer zukünftslo-sen Auffassung von Stadtentwicklung, die die Stadt als Maschine betrachtet, den Menschen als Bediensteten dieser Maschine auffaßt und als Sklaven dieses maschinell-kommerziellen Bäderwerkes behandelt und nicht als Bürger.
Überall dort; wo die Stadt wieder zu ihren Wurzeln, das heißt zum Fußgeher zurückgefunden hat, fühlt man sich in Wien wohl, es gibt dort weder Umwelt- noch Verkehrsprobleme (wobei der Stock-im-Eisen-Platz jahrzehntelang das Verkehrsproblem Nr. 1 in Wien war), überall dort, wo man glaubte mit technokratischen Lösungen und weiteren Angeboten von Fahrbahnen Verkehrsprobleme zu lösen, haben sich diese vervielfacht und die Umgebung abgewertet und ruiniert.
Wir stehen daher heute, wie immer, vor der Entscheidung, Wien zur Weltstadt weiterzuentwickeln oder weiter zur Provinz absinken zu lassen, da der Verkehr die Voraussetzung, aber auch die Folge jeder Stadt und jeder Stadtentwicklung ist und einen Schlüsselbereich bildet. Ersteres erfordert Weitblick, Mut und Anstrengungen. Das zweite ergibt sich, wenn man zu stark vorübergehenden Modeströmungen frönt und sich von den Vertretern dieser Richtung mißbrauchen läßt. Das Verkehrssystem hat in den vergangenen Jahrzehnten der Stadt Wien überall dort geschadet, wo es hohe Geschwindigkeiten mit dem Stadtorganismus in Kontakt brachte. Statt der Wirtschaft Wiens zu dienen, die mit den Bewohnern eng verflochten, kleinräumig und differenziert ist,
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