Die Kunst und ihr Wert

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2008 war keine einfache Zeit für große Teile des Kunstmarkts. Hat sich die Branche erholt, und was hat die Krise verändert? DIE FURCHE hörte sich bei heimischen Experten um.

"Ja, es geht uns gut - und ja, es ist uns schlecht gegangen.“ So bringt es die Sotheby’s-Österreich-Leiterin Andrea Jungmann auf den Punkt. 2008 war für den Kunstmarkt bei Weitem kein rosiges Jahr, einige Auktionshausleiter stöhnten, Galeristen noch mehr. "2008 haben alle Angst bekommen, 2009 war ein Einbruch zu spüren“, sagt auch Christie’s-Österreich-Chefin Angela Baillou. "Zwar hatten es Galeristen am schwersten, aber es gab auch Bereiche, in denen Christie’s gespürt hat, dass es schwierige Zeiten waren.“

Heute hat sich die Situation normalisiert und sogar verbessert, wie eine Rundschau der wichtigsten Anbieter zeigt. "Ab Herbst 2008 haben wir die Krise voll zu spüren bekommen, aber 2010 war eines der besten Jahre“, spricht Jungmann für den internationalen Markt. Sotheby’s verzeichnete 2010 4,8 Milliarden Dollar Jahresumsatz, Christie’s fünf Milliarden, bei Sotheby’s hatte man 2009 noch einen Verlust von 6,5 Millionen Dollar zu verbuchen gehabt.

Auch die heimischen Auktionshäuser konnten 2010 außergewöhnliche Erfolge verbuchen, Im Kinsky schrieb im Vorjahr überhaupt den höchsten Umsatz seit Bestehen (siehe nächste Seite). Das Dorotheum ist mit 143 Millionen Euro Umsatz (sogar im Boomjahr 2006 waren es unter 100 Millionen) unter den fünf internationalen Spitzenreitern, Dorotheum-Chef Martin Böhm führt das auf die "breite Aufstellung des Hauses und die Internationalisierungsmaßnahmen samt Eröffnung einer Außenstelle in Rom“ zurück. Mit einem Zuschlag bei 7,02 Millionen Euro für "Der Mensch zwischen Tugend und Laster“ von Frans Francken II sorgte das Dorotheum für das österreichweit teuerste Werk des Auktionsjahres 2010.

Verringertes Angebot

In den Monaten der Finanzkrise fielen bei manchen Anbietern nicht nur kaufkräftige Kunden weg, das viel größere Problem für die Auktionshäuser war, dass sich Besitzer nicht von ihren Kunstwerken trennen wollten, da sie befürchteten, keine guten Preise zu erzielen. "Man merkte, dass sich potenzielle Verkäufer dachten: Was mache ich mit dem Geld, da lasse ich mein Gemälde doch lieber an der Wand hängen“, sagt Baillou von Christie’s. "Das hat sich geändert, als man realisiert hat, dass es nicht stimmt, dass man keine guten Preise erzielt. Die Probleme haben sich vollkommen aufgelöst, das Vertrauen der Verkäufer ist wieder gestärkt, sie haben gesehen, dass wir in keiner Kunstmarkt-Krise sind.“ Jungmann stimmt nicht ausschließlich zu: Auch heute würde man sich über mehr eingebrachte Ware freuen. "Die Nachfrage ist aktuell groß, aber viele potenzielle Verkäufer haben nach wie vor das Gefühl, ihre Kunstwerke lieber behalten zu wollen - auch weil sie sich denken: Was soll ich mit dem Geld“, sagt die Sotheby’s-Chefin.

Trias Klimt, Schiele Kokoschka

Natürlich muss man im Bezug auf Krisenjahre differenzieren: Einzelne Kunstgruppen haben von einer schwierigen Finanzlage der Kunden - denn: "Es ging ja nicht dem Kunstmarkt schlecht, sondern den Kunden des Kunstmarkts“, wie der Wiener Galerist Ernst Hilger betont - gar nichts abbekommen, andere Sparten waren sehr wohl weit weniger verkauft. In Zeiten der Krise wurde noch mehr als im regulären Betrieb auf Bewährtes gesetzt, auf Alte Meister oder eben die stets gewinnbringende Klassische Moderne. Zeitgenössische Kunst bekam daher die Auswirkungen der gesunkenen Finanzkraft ihrer Kunden verstärkt zu spüren, demnach waren es die Galeristen, die 2008 und 2009 am meisten unter der Finanzkrise litten. "Das Geschäft ist ab Herbst 2008 erlahmt“, sagt Ernst Hilger, der in der Wiener Innenstadt zwei Galerien und im 10. Bezirk eine weitere betreibt. Man könne "diese Zeit aber nicht mit der großen Krise von 1989/90 vergleichen“. Andererseits sei wiederum der Aufschwung, der seit 2010 zu spüren ist, nicht mit den Boomjahren 2006 und 2007 vergleichbar. Klar zu beobachten sei jedenfalls: "Im Bereich der jungen Kunst gab es am meisten Probleme und hier gibt es jetzt große, positive Überraschungen.“ Heute mache man Gewinn und sei auf einem guten Weg: "Aber wir müssen zwei harte Jahre verdauen.“

Kaufen die Leute heutzutage also mehr große Namen, um nicht Risiko zu laufen, auf das falsche Kunstpferd gesetzt zu haben? Klimt, Schiele und Kokoschka gelten weiterhin als die wichtige Trias des heimischen Auktionsmarktes. Auch international sind diese und Waldmüller unter den heimischen Künstlern besonders gefragt, bestätigt Angela Baillou von Christie’s. Aus Jungmanns Erfahrung kommen auch Hundertwasser, Wurm und West hinzu. Auf dem internationalen Auktionsmarkt gelte aber mittlerweile: "Die Leute kaufen, was sie mögen, es ist ein sehr gesunder Markt“, so Baillou, die Investmentfrage spiele keine Rolle. Und laut Jungmann gelte quer über die Genres und Epochen: "Gute Qualität, die frisch auf den Markt kommt, geht immer gut, egal, von welcher Sparte man spricht.“

Gezielteres und überlegteres Kaufen

Man beobachte nach der Krise aber jedenfalls, dass Sammler gezielter und überlegter kaufen. Auch jene Kunden, die früher 100.000 Dollar aus Spaß ausgegeben haben, seien weggefallen. "Es ist eine Ernüchterung eingetreten. Im Boom geben die Leute leichtfertig Geld aus, heute wird viel genauer geschaut und nachgedacht, die Qualität der Werke viel genauer in Augenschein genommen. Wenn aber hohe Qualität auf den Markt kommt, ist ein extremer Wettbewerb da“, so Jungmann.

Die Kaufgewohnheiten haben sich auch in den Galerien geändert, wie Ernst Hilger erzählt: "Die Kunden handeln überlegter, sie verhandeln viel länger als früher. Dass jemand sagt: Ich zahle egal was, weil nächstes Jahr ist es eh das Doppelte wert - das gibt es nicht mehr“, so der renommierte Galerist. "Und die rauschhafte Euphorie - es wird dauern, bis sie wiederkommt; wenn sie überhaupt wiederkommt …“

In letzter Zeit kann sich der Auktionsmarkt über neue Käuferschichten freuen, einerseits wurden, wie alle Experten bestätigen, Schwellenängste genommen. "Es kommen immer mehr Kunden, die nur Werke um ein paar Hundert Euro kaufen“, so Dorotheum-Chef Martin Böhm. Andererseits führen auch Russen, Chinesen und Inder, die erstmals bei Auktionen um heimische Kunst steigern, zu einer größeren Nachfrage. "Unsere Hauptkäufer kommen aber weiterhin aus Westeuropa und den USA“, so Böhm. Er ortet zudem eine "größere Bedeutung der Kunst für die breite Masse als noch vor zehn Jahren“. Und Galerist Hilger beobachtet überhaupt ein Umdenken im Bezug auf Kunsterwerb: "Kunst ist ein sicherer Hafen geworden, die Beschäftigung mit Kunst und Kunst an sich haben einen hohen Sicherheitsfaktor bekommen.“ Ob man der Krise auch etwas Positives abgewinnen konnte? "Wir haben daraus gelernt und gehen jetzt in unserer Planung durchdachter vor“, sagt Jungmann. "Die Stimmung ist gut.“

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