Migranten unter Vertrag

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Die verpflichtenden Deutschkurse für Zuwanderer sollen auch auf Kinder und Mütter ausgeweitet werden.

Wolfgang Schüssel will keine Schuldzuweisungen: "Wir müssen uns alle selber bei der Nase nehmen", so der Bundeskanzler am Bildungsgipfel vergangenen Montag. Dieser Empfehlung handelte Schüssel allerdings selbst zuwider - und das gleich zu Beginn des Reformdialogs - mit der Forderung die Integrationsvereinbarung (siehe Kasten) angesichts der Ergebnisse der Pisa-Studie neu zu überdenken: Vor allem die Ausnahme bei Deutschkursen für Mütter und Kinder sei "nicht mehr zu halten".

Diese Verknüpfung der Bildungs- mit der Integrationsdebatte kam nicht völlig überraschend: Vizekanzler Gorbach hatte bereits eine Woche vor dem Bildungsgipfel in einer Aussendung verpflichtende Vorschul-Deutschkurse für Kinder mit mangelnden Sprachkenntnissen gefordert. Auch im Innenministerium denkt man schon länger über Einschränkungen der im Integrationsvertrag vorgesehenen Ausnahmen nach. Trotzdem dürfte es sich eher um "undurchdachte Vorschläge" handeln, wie es Diakonie-Direktor Michael Chalupka formuliert, denn konkrete Vorstellungen, wie eine solche sprachliche Frühförderung und etwaige Sprachniveau-Tests für Fünfjährige (siehe auch Artikel Seite 4) aussehen könnten, hat man im Bildungsministerium noch nicht. Dort wartet man erst einmal eine für März geplante Enquete ab.

Obwohl auf die verbalen Vorstöße der Regierung hin von den verschiedensten Seiten Protest laut wurde, ist man sich in einem Punkt einig: Sprache ist eine Voraussetzung für eine gelungene Integration und je früher die sprachliche Förderung beginnt, desto besser. Die Kritiker werfen der Bundesregierung allerdings vor, dass die vom Integrationsvertrag vorgesehenen Deutschkurse zu kurz greifen: "Die schlechten Sprachkenntnisse mancher Migrantenkinder hängen auch damit zusammen, dass nur 25 Prozent der Zuwanderer den sozialen und ökonomischen Background von österreichischen Familien erreichen", so der Asylexperte der Caritas Österreich Andreas Lepschi. "Man sollte weniger über Deutschkenntnisse sondern mehr über die mangelnde Integration diskutieren." Vor allem bedauert Lepschi auch, dass durch die Diskussion in der Öffentlichkeit das Bild erzeugt wird, als wären Migranten nicht daran interessiert, die Sprache zu erlernen: "Gut und engagiert betriebene Angebote, werden in der Regel auch gerne genützt." Ob Deutschkurse, die wie vorgesehen nur auf ein A1 Niveau - rudimentäre Grundqualifikationen - abzielen, auch wirklich sinnvoll sind, bleibt dahingestellt.

Die auf den Spracherwerb Einfluss nehmenden Faktoren sind vielfältig. "Es hängt auch davon ab, wie weit eine Gesellschaft bereit ist, Migranten zu akzeptieren und mit ihnen zu kommunizieren. Wenn sie nur ausgegliedert und gemieden werden, ist auch die Motivation gering, die Sprache zu erlernen", so Annemarie Peltzer-Karpf vom Institut für Anglistik der Universität Graz. In der von ihr geleiteten Langzeitstudie "Bilingualer Spracherwerb in der Migration" sei auch deutlich geworden, dass Kinder, die nach dem vierten Jahr der Studie immer noch Schwierigkeiten hatten, mit psychologischer Betreuung unglaubliche Fortschritte gemacht hätten. Ein geringes Selbstbewusstsein kann also auch den Spracherwerb beeinträchtigen.

Sprachförderung und zusätzliche psychologische Betreuung seien natürlich auch eine Kostenfrage, so Peltzer-Karpf: "Man sollte aber nicht immer nur hervorheben, was für eine Belastung Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache für das Schulsystem und das Budget sind, sondern es als Chance betrachten. Migrantenkinder sind die ersten Europäer, die wirklich zweisprachig sind".

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