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Hüfe im „Nachzipf-Dschungel

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Drei- bis zehntausend Schilling muß man ungefähr auf den Tisch legen, um einigermaßen gründlich auf eine Nachprüfung vorbereitet zu werden.

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Drei- bis zehntausend Schilling muß man ungefähr auf den Tisch legen, um einigermaßen gründlich auf eine Nachprüfung vorbereitet zu werden.

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Nicht genügend, setzen!” Die gefürchtetsten Worte bei der Entscheidungsprüfung werden bald viele Schüler niederschmettern. Nicht nur erzürnte Eltern, die Hausarreste und Party-Verbote auferlegen, sondern auch das berühmte „Lernen im August” sind die leidvollen Konsequenzen. Ebenso leidvoll kann der Weg sein, ein ideales Lernhilfeinstitut zu finden, das dem Sprößling die Geheimnisse der Integralrechnung oder Ciceros Werke näher bringt.

Die Angebote reichen von Htägi-gen Vormittags-Kursen bis zu Lernurlauben mit Tennis und Reiten, die hochprozentige Erfolgsquoten aber auch fragwürdigen Pseudolernerfolg bringen können. Wer sich entschlossen hat, das Lernurlaubsziel seines Kindes in Osterreich zu wählen, der muß mit einer Preisspanne von rund 3.000 Schilling bis zu etwa 10.000 Schilling je nach Begleitprogramm rechnen. So bietet beispielsweise die Volkshochschule Liesing um jeweils 3.450 Schilling dreiwöchige Kurse -Montag bis Freitag von 8.30 bis 12.00 - in den Fächern Latein, Deutsch, Englisch, Französisch und Mathematik an. Aber es besteht auch die Möglichkeit, in zwei Wochen mit täglich sechs Stunden in Lerncamps am Holzöstersee der Privatschule Obermair für die Wiederholungsprüfung zu lernen. Der Preis für die Unterstufe 10.480 Schilling, für die Oberstufe 11.480 Schilling. Nach intensivem Lernen können die Schüler schwimmen, reiten, Tennis spielen, basteln, Theaterspielen, wandern oder einfach in der Wiese liegen. Zusätzlich wird vom Institut empfohlen, den Kindern und Jugendlichen für kostenaufwendigere Freizeitaktivitäten ein Taschengeld zwischen 200 und 500 Schilling pro Woche mitzugeben, das von der Schule verwaltet und abschließend verrechnet wird.

Wer die Wahl hat, hat die Qual. Eine kleine Hilfe im „Nachzipf-Dschungel bietet das Schulservice des Unterrichtsministeriums. Dort kann man eine Liste anfordern, die eine Auswahl von privaten sowie öffentlichen und halböffentlichen Instituten gibt.

Die privaten Institute dieser Liste gehören dem Verband Österreichische Ferienschulen und Lernhilfeinstitute (ÖFL) an und sind damit verpflichtet, sich an den Richtlinien des Verbandes zu orientieren. Bevor ein

Institut Mitglied des Verbandes werden kann, wird es vom Obmann und vom Obmannstellvertreter des ÖFL besucht. Dabei „werden die Qualität der Klassenräume, die sanitären Anlagen, etwaige Fluchtwege sowie die Lehrunterlagen und das Preis-Leistungsverhältnis überprüft”, erklärt Ernst Blaha, Obmann des Verbandes. Zudem werden Informationen und Erfahrungswerte über das Institut eingeholt.

Keine Beschwerden

Die Besichtigungen sollen jedoch nicht im Sinn einer „Inspektion” gewertet werden, denn jedes Mitglied soll eigenständig arbeiten können, betont Blaha. Ziel des ÖFL sei, gemeinsam aufzutreten und dadurch gemeinsam die Leistung zu steigern. „Begleitend beobachtet' werden die ÖFL-Institute von einem Beirat, der sich aus zwei Vertretern des Schulservice und einem Vertreter des Bundesverbandes der Elternvereine an mittleren und höheren Schulen Österreichs zusammensetzt. Einmal im Jahr wird vom Beirat das Prospektmaterial begutachtet und anschließend kontrolliert, ob es auch hält, was es verspricht. Zudem müssen die Mitglieder des Verbandes einen Beitrag von rund 4.000 Schilling im Jahr bezahlen sowie eine einmalige Aufnahmegebühr von etwa 6.000 Schilling entrichten.

Seriöse Kursanbieter sind sicher nicht nur im Verband, sondern auch außerhalb anzutreffen, es gibt aber auch in dieser Branche trotz allem hin und wieder „schwarze Schafe” mit ihren gemieteten Gasthofzimmern oder finsteren Zwei-Zimmer-Wohnungen als Lernzentrum oder mit Lateinkursen für die 5. bis 8. Klasse in einem.

Generell sollten Eltern bei der Wahl des Lernhilfeinstitutes einige Punkte genau nachfragen, empfiehlt Blaha:

■ Wie sind die einzelnen Lerngruppen zusammengestellt, denn beispielsweise in Latein ist zu beachten, daß Schüler einer 5. Klasse teilweise bereits das dritte Jahr Latein lernen, manche aber erst in diesem Schuljahr mit dem Fach begonnen haben. Die Nachhilfe muß daher innerhalb dieser Schulstufe unter Umständen getrennt erfolgen.

■ Wieviele Teilnehmer hat ein Kurs? Sechs bis acht Schüler in einer Gruppe sind eine optimale Zahl.

■ Sind Lehrer und Vortragende ausgebildete Fachkräfte?

■ Wie lange dauert eine Unterrichtseinheit, denn das Preis-Leistungsverhältnis verändert sich erheblich, wenn der Unterricht 45 oder 60 Minuten abgehalten wird.

■ Die Geschäftsbedingungen sollten genau beachtet werden.

■ Bei der Anmeldung sollen die Eltern die Gelegenheit nützen und sich genau die Räumlichkeiten des Instituts anschauen.

■ Treten dennoch Beschwerden auf und es handelt sich um ein ÖFL-In-stitut sollten die Eltern die Probleme sofort dem Verband mitteilen. Wenn

Klagen kommen, wird ihnen nachgegangen, sollten echte Schwierigkeiten auftreten, wird das Institut aus dem Verband ausgeschlossen. Solche Fälle habe es in der zehn jährigen Geschichte des Verbandes schon gegeben, sagt Blaha.

„Beschwerden über Lerninstitute liegen uns keine vor”, erklärt die Leiterin des Beratungszentrums der Konsumenteninformation, Renate Wagner, wobei sie der Meinung ist, daß es gravierende Qualitätsunterschiede gebe. Wahrscheinlich werden etwaige Mißerfolge sowie Erfolge der Institute von den Eltern auf die Kinder projiziert, vermutet Wagner. Außerdem sei das pädagogische Können der Lehrer, das ja letztlich die Qualität der Kurse ausmacht, schwer festzustellen.

Kontrolle schwierig

Natürlich gibt es über die Liste des Schulservice hinaus - die keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und keine Gewähr für die Qualität der einzelnen Kurse leistet - noch andere private Institute, die ebenso gute Nachhilfekurse und Lernferien anbieten. Ein Beispiel dafür ist das Institut Sacre Coeur der Erzdiözese Wien in Pressbaum. Die Verwaltung des Instituts sieht keinen Grund, Mitglied des ÖFL zu sein. Erstens bestehe die Schule länger als der Verband und zweitens verpflichte schon ihr Name, der für Qualität bürgt. Mit einer hohen Erfolgsquote - 70 bis 80 Prozent der Schüler bestehen bei der Prüfung im Herbst -bietet das Institut zweiwöchige Kurse um 8.450 Schilling inklusive Unterkunft und umfassenden Freizeitangebot. Zusätzlich können Sportkurse in Tennis, Badminton und Reiten zwischen 1.100 und 1.800 Schilling in Anspruch genommen werden.

Sollten Beschwerden eintreffen, sei es leichter ihnen nachzugehen, wenn das betroffene Institut dem ÖFL-Verband angehört, meint Schulservice-Leiterin Martha Sieder. Generell sei es schwierig, die Qualität von Nachhilfekursen und Lern-ferien zu kontrollieren, da keine gesetzliche Vorlage Kontrollen vorschreibe. Auch der Beirat, der die ÖFL-Institute besucht, sei „kein Kontroll-, sondern ein Beratungsorgan”, erklärt Sieder.

Neben den privaten Anbietern stehen noch eine Reihe anderer Lernhilfen-Anbieter auf der Liste des Schulservice. So bietet zum Beispiel die Interessensgemeinschaftge-meinschaft Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs (KEBÖ) zusätzlich zu ihren Erwachsenenprogrammen auch Nachhilfekurse für Jugendliche. Zur KEBÖ gehören österreichweit agierende Verbände, etwa WIFI, Berufsförderungsinstitute, Ring österreichischer Bildungswerke, Arbeitsgemeinschaft Bildungsheime, Verband österreichischer Schulungs- und Bildungshäuser und die Volkshochschulen, die auch in der KEBÖ der größte Anbieter von Nachhilfekursen sind. Diese Institute werden vom Ministerium nicht beobachtet. Einerseits müßte die „Kontrolle” freiwillig erfolgen, was jedoch nicht der Fall ist; anderseits argumentiert man, daß bei bundesweit agierenden Bildungsträgern die Qualität der einzelnen Kurse vorausgesetzt werden kann.

Vereinzelt bieten auch Einrichtungen wie der Katholische Familienverband oder die Kinderfreunde Nachhilfekurse sowie Lernferien in Österreich an.

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