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Mein Abgang vom ...

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Mein Freund Niko ist ein einflußreicher Mann. Das weiß er nur, zu gut und hält sich daher mit seinen beneidenswert hochgestochenen Beziehungen keineswegs zurück. Niko ist trotzdem kein Prahlhans, er will nur seine „hervorragenden Kontakte” nicht schamvoll verstecken.

„Vorgestern, fällt mir jetzt ein”, so. beginnt mein Freund seine Who-is-Who-Mitteilungen, „habe ich zum Klestil gesagt, daß ich nächste Woche leider keine Zeit für ihn habe ...”

Seinen neuen Zuhörern, die alten pflegen an dieser Stelle höflich wegzuhören, bleibt der vor Neid wäßrige Mund offen. „Gestern”, fährt Niko, die Bewunderung der Neuen sichtlich genießend, fort, „traf ich am Stephansplatz den Krenn, der mich zur Bischofskonferenz mitnehmen wollte, aber da habe ich schon dem Klestil ,Nein!' sagen müssen ...” Was Klestil mit der Bischofskonferenz zu tun hat, das traut sich niemand, Niko zu fragen.

„Trauen”, vor allem das „Sich-Trauen” ist überhaupt Nikos große Verhaltenstugend. Er traut sich allerhand zu. Oft bindet er seinen jeweiligen Zuhörer - er nennt sie fälschlicherweise „Gesprächspartner” - in seine Erzählung ein: „Nicht wahr, du bist nächste Woche beim Nuntius-Empfang dabei ...?” Bevor noch irgendjemand auf seine rhetorische Frage, deren einziger Sinn es ist, uns allen mitzuteilen, daß ohne ihn der Nuntius die Groer-Nachfolge kaum der Öffentlichkeit mitteilen kann, antwortet, schwimmt Niko auf der nächsten Welle der Berühmtheiten.

Seinen Pseudo-Gesprächspartnern begegnet Niko meist mit dem Satzfragment: „Wie du weißt, habe ich seit Jahren einen sehr guten Zugang zum...” - und jetzt folgen wahllos die Polit-Namen aus dem Amtskalender.

Als fixer Bestandteil unserer Neidgenossenschaft erblasse ich in Nikos Nähe immer „grün”; ohne ansonsten eine sonderliche Sympathie für die „Alternativen” zu hegen. Anfänglich

unterstützte ich Nikos Gott-und-die-Welt-Kontakte, indem ich auf seine Scheinfrage („Sehe ich dich morgen beim Sektfrühstück des afghanischen Botschafters?”) vorschnell reagierte: „Das geht leider nicht, da wir zu dieser Zeit den ukrainischen Sportattache verabschieden...” Hinter dem vertraulichen „Wir” steckte die un-abgesprochene Gemeinschaft zwischen Bundes-, Fußballbundpräsidenten und meiner gar nicht so winzigen „Wenigkeit”. Auf solche Antworten pflegte Niko blitzschnell Re-kontra zu geben: „Ah, du meinst”, wobei er das „Du” hörbar mit kleinem Anfangsbuchstaben aussprach, diesen abgehalfterten ukrainischen Kleindiplomaten? Für den hatte ich schon seit Monaten keine Zeit... 1”

Das alles ärgerte mich maßlos, und ich wußte mir keinen Rat gegen Nikos Auftrumpferei, bis mir, nach unzähligen schlaflosen Nächten doch noch etwas einfiel. Bei nächster Gelegenheit, als mein Freund wieder einmal mit seinem „... auch zu diesem Minister habe ich meinen ständigen Zugang ...” begrüßte, eröffnete ich, bei einer Luft- und Schnaufpause Nikos, meine neue Taktik: „Bei meinem gestrigen Abgang vom Bundeskanzler ...” Niko, der mir - irrtümlich -

zuhörte, blieb kurz die Luft weg. Daraufhin begann ich meine unerwartete Chance zu nützen und trumpfte mit einer selbst für Nikos Verhältnisse unerwartet hohen Prominentenliste auf. Es gab kaum einen Mächtigen dieser Welt - bei jenseitigen halte ich mich zurück -, bei dem ich nicht meinen höchstpersönlichen „Abgang” gehabt hätte. So arbeite ich mich mit meiner Negativ-Prestige-Liste vom Badewa-schel am Gänsehäufel über den Vorstand meines Bezirkspostenamtes bis zum ... ich glaube, ich bin bereits beim Bischof von Rom angelangt. Die jeweiligen Regierungsmitglieder ließ ich rechts - links fand ich keine - liegen. Niko war verzweifelt. Wie sollte er mich, der anscheinend zu allen Potentaten unserer Zeit „freien Abgang” hatte, übertrumpfen? Was nützen seine fantasievollen „Zugänge” zu meinen noch höheren „Abgängen”, die ich - im Gegensatz zu Niko - jederzeit nachweisen konnte?

Seit einiger Zeit meidet mich Niko. Nur von weitem höre ich, wie er einem neuen Opfer nur so nebenbei erzählt, wie er den grusischen Oberrabbiner mit dem Erzbischof von Sizilien zusammenbrachte. Aber was ist das alles, im Vergleich zu meinen fulminanten Abgängen?

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