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Festliche Musik in Aix

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Aus der festlichen Musik, aus den singen. — Das Pariser Luxusorchesommerlichen Festspielen, wurde nur allzuoft in dieser Zeit ein nicht immer durchsichtiges Unternehmen. Auch Aix-en-Provence, jene Stadt die man sogar als das „provencali-sche Salzburg“ bezeichnet hat, mußte dieser Gefahr begegnen. Dem Kenner und Liebhaber jedoch bedeuteten die diesjährigen Festspiele, daß vorerst das echte Musikfest in der Provence nicht in Frage gestellt werden muß.

Da war zum Beispiel im heurigen Festspielsommer eine „Italiana in Algeri“ des jugendfrischen Rossini, die keinen Wunsch offen ließ. Die „Italienerin“ ist in Frankreich ganz selten aufgeführt worden. Sie leidet offensichtlich unter dem Ruf des „Jugendwerkes“. So viele Musikbeflissene halten Rossini für den Schöpfer eines Meisterwerkes — er bleibt der Meister des „Barbiere“. So war es fast eine Premiere: einige Plätze blieben frei und man wartete ab, ob echter Grund zur Begeisterung vorhanden sei... Doch es geschah: trotz des eisig wehenden Mistral kam stürmischer Beifall; zahlreiche Vorhänge bestätigten das festliche Erlebnis. Ein großer Erfolg, auch im Hinblick auf die hohen Maßstäbe, die man in Aix ansetzen muß und darf. Ein Erfolg, der aus dem einzigartigen Zusammenspiel von Musik, Stimmen, Regie, Kostümen und Bühnenbildern verständlich wird. — Eine nahtlose Besetzung, aus der man eigentlich keinen Namen herausgreifen sollte; doch Jane Berbiis Isabella kann nicht übergangen werden. Stimmkundige entdeckten überdies einen idealen Mozarttenor in Julian Molina; er dürfte einmal einen großartigen Ottavio ster, das Orchestre de Paris, in vollendeter Form und von Gianfranco Rivoli hinreißend angeführt konnte begeistern. Für den bezaubernden Humor der Jugend offen, fanden der Maler Matias und der Regisseur Jean Pierre Grenier unvergeßliche Farben und Formen. Das andere Ereignis des diesjährigen Programms in Aix spielte sich in der Basilika von Saint Maximin äb. Die English Opera Group brachte zwei der musikalischen Parabeln von Benjamin Britten: die am Orient entzündete Curlew River und vor allem die letzte und .gültigste Leistung des Engländers, The Prodigal Son, (1968), die Erzählung vom verlorenen Sohn. Die Vollendung aller Aspekte des liturgisch-mönchischen Spieles, die beseelte Vertiefung einer Musik, die es versteht, den gregorianischen Choral mit neuesten Stilmitteta unserer Zeit harmonisch zu verbinden, der einzigartige Zusammenklang von Brittens Musik und dem romanischen Gewölbe — alle, auch die verwöhntesten Festspielgäste durften erleben, was ein Fest in der Musik bedeutet. Und was Stil in der Liturgie nach Vaticanum II zu sagen hat. — Benommen schwiegen sie, als der letzte Ton des gregorianischen Hyimnus im gewaltigen Kirchenschiff verhallte — erst nach einigen Sekunden brach der Beifall los. Britten und Aix-en-Provence könnten sich kaum einen überzeugenderen Erfolg wünschen. Und das, ebenso wie der Erfolg der „Italienerin“, wird sich die Leitung der Festspiele zu Herzen nehmen. Jedenfalls hofft es der Chronist von ganzem Herzen.

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