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Theater mit Atmosphäre

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Bevor der Vorhang im Theater am Parkring aufgeht, ist von der Bühne her eine Stimme zu hören, die von einem Prozeß erzählt, der ein Kapitalverbrechen sühnen muß, und die sagt, man müsse verstehen, „daß wir hier nicht Komödie spielen, sondern nur der Gerechtigkeit dienen". Wenn sich der Vorhang dann öffnet, und wir auf der Bühne Emlyn Williams Stück „D i e Nacht wird kommen" (Night must fall), deutsch von Maria Teichs, sehen, haben wir freilich bald heraus, daß es sich mit ihm gerade umgekehrt verhält: daß es hier nicht um Gerechtigkeit geht, sondern daß wir einen hand- und bretterfest gezimmerten Kriminalreißer vor uns haben, der durch die Zeichnung einiger bluterfüllter Men-sehen die Grenze zur Komödie erreicht. Kurt Sowinetz als abgrundseichter Dannyboy und Eva Sandor als muntere alte Dame im Rollstuhl geben zwei interessante Charakterstudien. Auch das übrige Ensemble, von Regisseur Peter Weihs sicher geführt, fügt sich’ stilecht der düsteren Atmosphäre eines einsam gelegenen englischen Landhauses ein.

Die drei modernsten französischen Dramatiker der Gegenwart sind Ausländer: Beckett ist Ire, Ionescu Rumäne, Adamov Georgier. Sie schreiben für ein kleineres Publikum als Sartre, Anouilh oder Montherlandt. Nach Samuel Becketts „En attendant Godot“ lernen wir jetzt in einem anderen Wiener Kellertheater ein frühes Stück Arthur Adamovs kennen: das Schauspiel in vier Akten „I n v a s i o n", den Beitrag des Theaters „Kaleidoskop" in der Secession zu den Wiener Festwochen. Es ist vor allem der ausgezeichneten Regieleitung Heinz Röttingers zu danken, daß das

Stück Adamovs zu beklemmender Wirkung kommt. Alle Personen sind maskenhaft in verschiedenen Farben geschminkt. Die Worte, die sie sprechen, werden aneinander vorbeigesprochen. Eine dichte Spinnwebenatmosphäre breitet sich aus und schließt auch das Publikum ein. In „Invasion" geht es um die Entzifferung der Handschriften eines Toten durch seine Freunde. Die Arbeit geht, da sie übergewissenhaft durchgeführt wird, nicht recht vom Fleck. Im Bild der kaum leserlichen Handschriften, die möglicherweisee große Bedeutung haben können, geht es Adamov um die Darstellung der allgemeinen Unordnung, gegen die seine Menschen einen Lebenskampf führen. Aber die Unordnung wächst: ihre Invasion in das Innere des Menschen ist nicht zu verhindern. „Invasion" ist dem Inhalt nach ein Stück Existentialismus der zwanziger Jahre, der Form nach echter Avant- gardismus des Theaters.

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