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„Bananenrepublik“

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Im vorigen Jahr hielt ein prominentes Redaktionsmitglied der größten brasilianischen Zeitung „0 Estado de Sao Paulo“, Nicolas Boer, in Bonn vor Bundestagsabgeordneten eine Rede, die sein Blatt unter dem Titel „Wer richtet Attentate gegen das Image Brasiliens?“ veröffentlicht hat. In ihr führte dieser bekannte politische Journalist das geringe' Prestige, das das brasilianische Militärregime in der Weltmeinung hat, auf eine Verleumdungskampagne zurück, zu der sich Kommunisten und die radikalen Sektoren des jungen post-konziliaren Klerus verbündet hätten.

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Im vorigen Jahr hielt ein prominentes Redaktionsmitglied der größten brasilianischen Zeitung „0 Estado de Sao Paulo“, Nicolas Boer, in Bonn vor Bundestagsabgeordneten eine Rede, die sein Blatt unter dem Titel „Wer richtet Attentate gegen das Image Brasiliens?“ veröffentlicht hat. In ihr führte dieser bekannte politische Journalist das geringe' Prestige, das das brasilianische Militärregime in der Weltmeinung hat, auf eine Verleumdungskampagne zurück, zu der sich Kommunisten und die radikalen Sektoren des jungen post-konziliaren Klerus verbündet hätten.

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Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik, daß Ruy Mesquita, der Chefredakteur des Nachmittagsblattes „Jörnal de Tarde“ ist und gemeinsam mit seinem Bruder Julio Mesquita „O Estado de Säo Paulo“ herausgibt, jetzt .den schwersten Angriff gegen das Image Brasiliens in den acht Jahren des Militärregimes unternommen hat. In einem Telegramm an den Justizminister Buzaid protestierte er gegen die Knebelung der brasilianischen Presse und erklärte, daß er sich eines Brasiliens schäme, „das auf das Niveau einer Bananenrepublik herabgewürdigt“ werde.

In dem vierten „Sicherheitsgesetz“ der Militärjunta aus dem Jahr 1969 wird eine Gefängnisstrafe zwischen sechs Monaten und zwei Jahren für die Verbreitung einer „entstellten Nachricht“ angedroht, „die das Volk gegen die bestehenden Institutionen aufbringen kann“. Vorher hatte das Justizministerium eine „Empfehlung“ an Presse, Rundfunk und Fernsehen gerichtet, keinerlei Nachrichten oder Kommentare zu verr öffentlichen, „die die Harmonie innerhalb der Streitkräfte oder zwischen diesen, der Regierung und der öffentlichen Meinung beeinträchtigen könnten“.

Da die Regierung Folterungen bestritt und der „Todesschwadron“ den Kampf angesagt hatte, las man des öfteren Iniformationen über diese Themen. Im Jahr 1971 wurden jedoch wiederholt Nachrichtensperren über Veröffentlichungen verfügt, die Folterungen Iii den Gefängnissen behaupteten und die Verhaftung von 15 Polizeioffizieren wegen Teilnahme an Morden zum Inhalt hatten. Im Mai 1972 wurde eine Nationalkonferenz der brasilianischen Bischöfe über Massenmedien abgehalten, deren Hauptthese lautet: „Organe der öffentlichen Meinung können nicht der Wahrheit dienen, wenn sie in ihrer Freiheit beschränkt sind. Eine überwachte und eingeschüchterte Presse wird zum Instrument im Dienste von' Personen, Gruppen, Systemen ... und Bewegungen. Sie dient schließlich immer mehr der Scheinheiligkeit, deckt Verbrechen und Verbrecher und erleichtert das Unrecht.“ Dabei ist freilich zu beachten, daß die bloße Tatsache, daß dieser Beschluß veröffentlicht werden konnte, damals einen gewissen Grad von Pressefreiheit offenbarte.

Die nunmehrige Unterdrückung der Presse hat aber ein fast groteskes Niveau erreicht. Die oben genannte Zeitung veröffentlichte vor einigen Monaten die Nachricht, daß der Präsident Garrastazü Medici die „bösartigen Unterstellungen“, daß er die Absicht habe, sein „Mandat“ (über 1974) auszudehnen oder sich „wiederwählen“ zu lassen, mit Entrüstung zurückgewiesen habe. Es ist also schwer verständlich, warum die Regierung unter Hinweis auf diese Nachfolgediskussion den Zeitungen „politische Spekulationen jeder Art“ untersagt hat. Noch erstaunlicher ist freilich, daß den Zeitungen die Kritik an der Wirtschaftslage des Landes verboten wurde; denn auch die Vertreter der Regierung nehmen sehr klar zu dem Problem der ungerechten Einkommensverteilung im Lande Stellung. “In den größten Zeitungen sitzen jetzt Zensoren. Freilich kann'mäh sich schwer vorstellen, Wie unter, diesen Umständen überhaupt noch politische und wirtschaftliche Kommentare möglich sind.

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