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Deutsche und Deutsch in Israel

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Fast hätte die Überschrift anders geheißen: Reichsdeutsche in Israel, denn „Germania“ kommt im hebräischen Titel der Landsmannschaft ehemaliger reichsdeutscher Juden noch heute vor. Ein Witz besagt: Wer sind die letzten Preußen? Die Juden aus Berlin! Sie sind mit ihrer preußischen Chuzpe (Frechheit) und Berliner Charme ihrem ehemaligen Wohnort treu geblieben, sie werden Jäckes genannt, angeblich, weil sie in diesem heißen Klima nicht hemdärmelig erscheinen, sondern in Tropenhitze mit Jacke und Schlips. Wenn Ihre Germania-Landsmannschaft einen Festabend mit Tanz an einem jüdischen Feiertag (Purim, Chanukah) veranstaltet, freuen sie sich wochenlang zuvor: Zu Berliner Liedern wird getanzt, gescherzt wie in alten Tagen, deutsch gesprochen, deutsch gesungen.

Dabei hatten sie sehr unter der Distanzierung von der „Hitler“- Sprache, die für sie die Goethe- Sprache geblieben ist, zu leiden. Die mittlere Generation hat nicht Deutsch lernen wollen, Englisch war die Zweitsprache für Literatur und Technik, die gelernt wurde. Das hat sich jetzt geändert: Das Kulturinstitut an der Bundesbotschaft in Tel Aviv hat ungeheuren Zuspruch seitens der jüngsten Generation bekommen, das Interesse an Sprache und Literatur an den Universitäten Jerusalems und Tel Avivs ist immens, und es würde sich lohnen, wenn die Bundesrepublik finanziell für die Errichtung eines germanistischen Lehrstuhls bei einer dieser Universitäten mithelfen würde. Eine Germanistin, Dozentin, ist dort bereits seit Jahren tätig, beschäftigt sich mit dem Prager Autorenkreis, nachdem Max Brod ja dort' um die Ecke wohnte. Die Verwalterin des Nachlasses des Prager Autors Max Brod, Frau Esther Hoffe, selbst mit deutschen lyrischen Gedichten bekannt, hat das Brod-Archiv in ihre Wohnung mit der Franz-Kafka-At- mosphäre herübergerettet.

Es gibt eine deutsche Zeitung „Israel-Nachrichten“ in Tel Aviv, an der namhafte Publizisten, noch aus dem Vorkriegs-Berlin bekannt,

mitarbeiten. Deutsche Bücher werden als kostspielig nicht so bestellt wie englische, für deutsche Kinderbücher ist ein immenses Interesse.

Juden aus den Ostgebieten Europas haben markante Positionen in Wissenschaft und Produktion errungen, aber auch aus Süddeutschland hat eine kollektiv ausgewan- derte Judengemeinde einen Kurort am Meer geschaffen, der sich sehen lassen und als Ferienort wärmstens empfohlen werden kann, auch wenn er nicht Ejlats Tropensonne hat.

Touristen sind mit Deutsch auf der Straße nicht verloren, es wird nicht nur auf Königsberger oder Berliner Art gesprochen, sondern auch pragerisch und wienerisch, ungarisch und jiddisch! Wer in Jerusalem in der alten Stadt die vorher zerstörten jüdischen Viertel neuerbaut besucht, wird über den Deutschen Platz erstaunt sein. Er wurde durch Bettelei bei deutschen Gemeinden im 16. Jahrhundert geschaffen.

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