7208945-1992_23_13.jpg
Digital In Arbeit

GEGEN DAS CAMP-DAVID-ABKOMMEN

Werbung
Werbung
Werbung

Von den insgesamt 120 Sitzen in der Knesset erreichten die religiösen und ultraorthodoxen Parteien bei den letzten Wahlen ihr bisher bestes Resultat, nämlich 18 Sitze. Durch geschicktes Lavieren und Einsetzen ihrer Schlüsselposition gelang es ihnen, in der jetzigen Knesset eine Reihe von erfolgreichen religiösen Maßnahmen durchzusetzen, die bis dahin nicht erreicht worden waren.

In der religiösen Gesetzgebung an sich war ihr Erfolg eher bescheiden. Immerhin gelang es ihnen, einen Abbröckelungsprozeß von religiösen Tagesmaßnahmen zu einem mehr laizistischen Hinübergleiten der großen Mehrheit der Bevölkerung zumindest administrativ aufzuhalten. Die größten Erfolge der Ultraorthodoxen lagen jedoch auf dem Gebiet der finanziellen Zuwendungen, was einem weiteren Anwachsen dieser Parteien durch ständig zunehmenden Schulnachwuchs gleichkommt.

Bei diesen Wahlen bemühen sich alle vier Parteien, zumindest nicht den Kürzeren zu ziehen, das heißt, das gemeinsame Streben ist auf ein Beibehalten der 18 Sitze ausgerichtet. Erschwerend dabei wirkt, daß bei den Wahlen vom 23". Juni diesmal die Sperrklausel auf 1,5 Prozent angehoben wurde, was wiederum heißt, daß sich zumindest zwei der kleineren Parteien zusammenschließen müssen.

Die religiösen Parteien sind untereinander in vielen Dingen uneins, was einen Zusammenschluß sowohl ideologisch als auch persönlich erschwert. Jede der vier Parteien hat ihre eigenen Probleme und jede weiß, daß ihr Stimmenzuwachs nicht außerhalb des religiösen Sektors liegt, sondern nur durch Stimmenverschiebung untereinander zustande kommen kann.

Zionistische Partei

Von den vier Parteien ist nur eine einzige religiöse Partei zionistisch: der „Hapoel Hamizrachi". In den ersten drei Jahrzehnten seit der Staatsgründung war sie die dominante religiöse Partei, die es bis auf zwölf Mandate brachte, aber seit den Wahlsiegen des Likud ab 1977 wurde diese Partei immer schwächer, heute verfügt sie nur noch über vier Mandate. Ihr neues Wahlpotential liegt ebenfalls rechts, während ehedem „linke" Befürworter einer Koalition mit der Arbeiterpartei (zum Beispiel in den Kibuzzim der Partei) kaum mehr Gewicht haben. Aus diesem Grunde hat der „Hapoel Hamizrachi" ein „rechtes" Programm entwickelt, in dem beispielsweise das Aufgeben des Camp-David-Vertrages und die Einbeziehung der besetzten Gebiete in die israelische Gesetzgebung gefordert werden.

Aber das eigentlich Dramatische spielt sich nun im Vorfeld der Wahlen zwischen den drei anderen Parteien ab: „Schas", „Agudat Israel" und „Degel Torah". Hier muß eingefügt werden, daß die eigentlichen Entscheidungen aller dieser Parteien gar nicht von den Knesset-Abgeordneten gefällt werden, sondern von den - meistens untereinander zerstrittenen -geistigen Oberhäuptern und Rabbinern. Die Knesset-Abgeordneten können höchstens „Empfehlungen" anbringen und müssen brav draußen, außerhalb der Sitzungen, auf die endgültigen Beschlüsse warten.

Zum Schluß ist es meistens der bereits zittrige 92jährige Rabbiner Menachem Schach, der beschließt, wer mit wem sich zusammenzuschließen hat, ja, der sogar die Macht hat, zu bestimmen, wer die Regierung, die mit Hilfe des religiösen Züngleins an der Waage zustandekommt, auf die Beine stellt.

Die kleine „Degel Torah"-Partei, eine Schöpfung des Rabbiners Schach, verfügte bis jetzt über zwei Mandate, aber sie muß sich nun entweder mit der „Agudat Israel" oder der „Schas" vereinigen. Da beide Parteien ohnehin nur mit vier Mandaten insgesamt rechnen, ist nunmehr ein Endspurt über die vier realen Plätze in Gange, wobei die „Agudat" auch interne Nebenströmungen zu berücksichtigen hat.

Omnipotenter Rabbiner

Die „Schas" wiederum wird als eine Partei angesehen, die vor allem die Interessen der orthodoxen sephardi-schen Juden vertritt und kein Interesse hat, sich mit einer aschkenasisehen Wählerschaft zu vereinigen (siehe Seite 11). Aber auch „Schas" hat ernste Sorgen. Vor allem ist der junge Innenminister Arje Dery, der heute der Kandidat Nummer eins von „Schas" ist, in eine polizeiliche Untersuchung wegen Korruption verwickelt.

Eine weitere führende Persönlichkeit und Mitbegründer der „Schas", der jetzige Einwanderungsminister, Rabbiner Jizchak Perez, ist aus seiner Partei ausgetreten und wollte sogar eine eigene Wahlliste aufstellen, bis er vom omnipotenten Rabbiner Schach scharf zurückgepfiffen wurde. Inzwischen aber hat auch der bekannte ultranationale und militante Rabbiner Levinger aus Kirjat Arbaah erklärt, er werde mit einer eigenen Liste aufwarten, die gleichfalls- aus dem gleichen rechts-orthodoxen Becken Wasser oder richtiger Stimmen schöpfen wird.

Der sensationelle letzte Wahlerfolg der „Schas", die mit sechs Mandaten in die Knesset einzog, dürfte sich diesmal nicht wiederholen. Ihre Angehörigen rechnen im besten Fall mit fünf, im ärgsten Fall nur mit vier Mandaten.

Aber trotz aller Ungewißheiten ist auch diesmal nicht mit sensationellen Verschiebungen zu rechnen. Die vier religiösen beziehungsweise orthodoxen Parteien verbleiben auch nach diesen Wahlen auf der rechten Seite des politischen Schachbrettes.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung