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Kein Ende der Spendenaffäre

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Der Konflikt um das Ermittlungsverfahren gegen Helmut Kohl wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage Ufert mehr und mehr in einen Ansehensverlust für die Bundesrepublik aus. Der unmittelbare Anlaß rückt längst in den Hintergrund, zumal es vergleichsweise um Banalitäten geht: Zum einen um die unwiderlegte Behauptung des Kanzlers vor dem Flick-Untersuchungsausschuß, nichts von der „Geldwasch“-Funktion der „Staatsbürgerlichen Vereinigung“ in Koblenz gewußt zu haben, von der Helmut Kohl legal Spenden entgegennahm. Zum anderen kramten die Flick-Fahnder nach zwei weiteren Zuwendungen von zusammen rund 400.000 Schilling, die Kohl möglicherweise noch als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz für seine Lan-des-CDU erhielt und die deshalb bei der Spendenüberprüfung der Bundespartei durch den Untersuchungsausschuß nicht auftauchten.

Gleichwohl standen sie in der Liste des Flick-Buchhalters Rudolf Diehl, der eingestandenermaßen die Adressaten von Flick-Geldköfferchen nur höchst ungenau verzeichnet hatte. Dessen ungeachtet konstruiert der Sprecher der Grünen, Otto Schily, daraus gegen Kohl Vertuschungs- und Unterschlagungsverdacht.

Das wirklich Beunruhigende liegt nicht in Summen und Aussagen; so etwa wurden die zunächst unauffindbaren Verbuchungen der 400.000-Schilling-Spende mittlerweile in den CDU-Unterlagen von Kohls Wahlkreis Ludwigshafen entdeckt. Schlamperei, gewiß. Aber aufschrecken läßt angesichts der Schlachtordnung etwas anderes: Zum einen der beschämende Verfall des politischen Stils; tieferreichend aber bedeutet all dies noch weit

Schmerzlicheres: Einen Niedergang demokratischen Anstands durch Mißbrauch der Justiz. Was den bloßen Stil anlangt, mag man es achselzuckend als phantasielos-perfide einstufen, daß „Ent-hüllungs“-Attacken in monotoner Wiederkehr kaum vom Bemühen um Korrektheit, sondern mehrheitlich von Propagandazielen bestimmt werden. So etwa bietet eine einstige NSDAP-Mitgliedschaft als solche bloß selten das Motiv für Entrüstungskampagnen gegen den Kandidaten für ein politisches Amt; wohl aber der Wahlkampf in seiner Primitivphase, beispielsweise wenn es gegen einen von der Konkurrenz gesteliten Anwärter auf die Bundespräsidentschaft geht. Die Rede ist hier von Karl Carstens, Staatsoberhaupt der Bundesrepublik zwischen 1979 und 1984. Parallelen zu Ereignissen der Gegenwart und anderswo wären rein zufällig.

Wo sich aber in herkömmliche Wahlkampf-Denunziation politischer Druck auf Justizorgane mischt, droht - jenseits von Geschmacksfragen — ernste Gefahr für die freiheitlich verfaßte Gesellschaft. Nicht der strafrechtliche, vielmehr der politische Hintergrund der gegen Kohl erhobenen Beschuldigungen macht das eigentliche Desaster aus. Denn jene Bonner Staatsanwälte, die ursprünglich mit der Frage eines Verfahrens gegen den Kanzler wegen des Verdachts der Falschaussage vor dem Flick-Bundestagsausschuß befaßt waren, hatten keinen Anlaß zur weiteren Ermittlung gesehen. Danach jedoch schaltete sich der Kölner Generalstaatsanwalt Bereslaw Schmitz mit der Weisung ein, die Untersuchung dennoch aufzunehmen.

Delikat wird dieses Votum aufgrund des Weisungsrechts, dem die Kölner Generalstaatsanwaltschaft gegenüber dem nordrhein-westfälischen Landesjustizministerium in Düsseldorf unterliegt. Der dort regierende Ministerpräsident heißt Johannes Rau. Kanzlerkandidat der SPD und Kontrahent von Helmut Kohl bei der Bundestagswahl im Jänner nächsten Jahres.

Der Bundeskanzler selbst nennt die Anzeige eine durchsichtige politische Kampagne, die, so der Kabinettschef voll Pathos, „den Spitzenmann der erfolgreichsten Regierung Europas wegkriegen will.“ Ausgerechnet der bisherige Bundestagsabgeordnete der Grünen, Otto Schily, vor Jahren berühmt geworden als Terroristen-Wahlanwalt, hatte den Kanzler angezeigt. Ausschließlich beseelt vom Wunsch nach Sauberkeit?

Otto Schily, der aufgrund des Rotationsprinzips der Grünen als Parlamentarier soeben einem Nachrücker Platz gemacht hat, will bis zur Bundestagswahl seine Agitation fortsetzen. Sollte das Verfahren gegen Helmut Kohl in Kürze eingestellt werden, so Schily in kleinem Kreis, werde er zunächst Beschwerde gegen die Staatsanwaltschaft erheben. Nach deren Abweisung möchte der gef inkelte Anwalt eine Klage-Erzwingung durchsetzen. Vom Kalender her würde dies ausreichen, um den Kanzler bis zum Ende des Wahlkampfes unter Beschuß zu halten.

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