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Schlag nach bei Goethe

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In seinem langen Leben hat Goethe zu vielem Stellung ge- nommen, natürlich auch zum Parteiwesen. Manches davon klingt so zeitgemäß, als wäre es für unser Heute geschrieben.

So sagt er etwa über den Streit zwischen den Parteien: „Egois- mus und Neid werden als böse Dämonen immer ihr Spiel trei- ben, und der Kampf der Partei- en wird kein Ende nehmen " (zu Eckermann am 25. Februar 1824). Und an Schiller schreibt er bereits am 17. Mai 1797: „Die Fratze des Parteigeistes ist mir mehr zuwider als irgendeine andere Karikatur." Rücksichts- losigkeit der Parteien gegenein- ander ist ihm wohlbekannt; dar- über äußert ersieh in einem Brief an Antonie Brentano vom 16. Jänner 1818: „Ungerechtigkeit und Unbilligkeit sind an der Tagesordnung; wie können Par- teien gegeneinander Rücksicht nehmen?"

Auch zu dem Thema, das heu- te unter dem Schlagwort „Wen- dehälse" wieder aktuell ge- worden ist, nimmt Goethe Stel- lung: „ Die Menschen werfen sich im Politischen wie auf dem Kran- kenlager von einer Seite zur an- dern, in der Meinung, besser zu lie- gen" (an Friedrich vonMülleram 7. Oktober 1807). Er sieht, wie die Opportunisten nur auf ihren Vor- teil bedacht sind, und äußerst sich darüber brieflich gegenüber seinem Freund Herder am 29.130. Dezem- ber 1786: „Man muß sich zu einer Partei schlagen, ihre Leidenschaf- ten und Kabalen mit verfechten helfen,... den Großen schmeicheln. Und das sollte ich hier? " (angespielt ist dabei auf seine Position am Wei- marer Hof).

Er hatte ja während seiner viel- seitigen Beamtentätigkeit in der Weimarer Residenz Enttäuschun- gen und Intrigen aller Art zur Genüge erfahren. So läßt er unter anderem in „Faust II" in der Szene „Kaiserliche Pfalz " den Schatzmei- stersagen: „Auch auf Parteien, wie sie heißen,/Ist heutzutage kein Verlaß.../Ein jeder kratzt und scharrt und sammeltJUnd uns- re Kassen bleiben leer."

Daß Goethes Streben nach einer Aufhebung der Gegensät- ze geht (heute würde man sa- gen: nach einer großen Koali- tion) deutet ein Distichon an: „Wo Parteien entstehn, hält jeder sich hüben und drüben;/ Viele Jahre vergehn, eh sie die Mitte vereint" („ Vier Jahreszei- ten", Herbst 1763).

Goethe hatte selbst höchste Staatsämter bekleidet. Daher konnte er sich, noch wenige Wochen vor seinem Tode, auch über das Ministeramt äußern. „Was ist ein Minister anders als das Haupt einer Partei, dieerzu beschützen hat und von der er abhängt" (an Karl Friedrich Zelteram 4. Februar 1832).

Goethe, den Novalis den „Statthalter des poetischen Gei- stes auf Erden" genannt hat, stellte auch im politischen Be- reich seinen Mann. In seinen „Maximen und Reflexionen" liest man: „Welche Regierung die beste sei? Diejenige, die uns lehrt, uns selbst zu regieren."

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