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Sozialleistungen mehr nach Maß

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Die betriebliche Sozialpolitik ist heute ein wesentlicher Bestandteil in unserer Gesellschaft, gleichzeitig aber auch ein bedeutender Kalkulationsfaktor der heimischen Wirtschaft. Ob wir uns auch in Zukunft dieses unüberschaubare Bündel teilweise ins Uferlose anwachsender Lei-

stungen noch erlauben können, ist eine Frage, über die nachzudenken wir alle aufgefordert sind.

Die betriebliche Sozialpolitik vollzieht sich heute im gesamten Umfeld aller österreichischen Unternehmen. Kein Zweifel, daß sie ein bedeutender Beitrag zur dynamischen Fortentwicklung unseres freiheitlichen Gesellschaftssystems war und ist.

Jedes österreichische Unternehmen hat seine betriebliche Sozialpolitik. Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Sozialleistungen werden heute überall — auch in den allerkleinsten Unternehmen — noch eine Vielzahl von zusätzlichen sozialen Bedürfnissen befriedigt, angefangen von ergänzenden Fort- und Ausbildungshilfen bis hin zu Werksküchen, Kindergärten, Geschenken bei privaten Anlässen, Weihnachtsfeiern oder Betriebsausflügen.

Das zusätzliche Angebot an betrieblichen Sozialleistungen hat heute in Osterreich vielfach einen Standard erreicht, der kaum noch zu finanzieren ist und die Wettbewerbsfähigkeit so mancher Betriebe stark einschränkt - vor allen Dingen deshalb, weil es in Osterreich derzeit kaum möglich ist, einmal Gewährtes wieder einzuschränken.

In Österreich werden die freiwilligen unternehmerischen Sozialleistungen immer wieder in Betriebsvereinbarungen tariflich kollektiviert: eine Realität, die — so zeigt sich heute — keinesfalls immer sinnvoll ist. Sie entspricht darüber hinaus auch nicht den Anforderungen einer modernen und qualitativ guten betrieblichen Sozialpolitik.

Betriebliche Sozialpolitik sollte sich in erster Linie immer an den augenblicklichen Interessen der Menschen orientieren. Sie ist ein Interessenausgleich und gerade deshalb einem ständigen Wandel unterlegen.

Es ist offensichtlich, daß der Anschauungswandel der Menschen, ihr ständig verändertes Selbstverständnis und ihre wechselnden Bedürfnisse direkt danach verlangen, daß der Sinn, die Ziele und der Zweck jeder Sozialpolitik sich diesen Forderungen anpassen sollten.

Dazu kommt, daß auch die Bedürfnisse der Unternehmer selbst sich wandeln. Es kann daher nur richtig sein, wenn jede freiwillige, betriebliche Sozialpolitik auch diesen wirtschaftlichen Bedürfnissen angepaßt wird. Betriebliche Sozialpolitik muß daher immer, nicht nur vom Angebot her, sondern auch auf ihren Zweck, ihren Aufwand und ihren überholten Ballast hin überprüft werden.

Betriebliche Sozialpolitik hat viele Gesichter. Auch die Stärkung der Mitverantwortung beispielsweise ist Sozialpolitik: eine Hilfe zur Selbsthilfe. Nicht die Abnahme aller Lebensrisken, sondern die sinnvolle Unterstützung, die Beratung bei persönlichen Problemen (Psychologen, Sozialhelfer, Werksärzte) oder auch der Beistand in der Bürokratie, das alles kann ein soziales Service sein, das oft vernünftiger und bedarfsgerechter ist als kostspielige Maßnahmen, die weder der Identifizierung noch der Geborgenheit der arbeitenden Menschen dienen.

Zweifellos verlangt Sozialpolitik heute mehr denn je nach Umdenken. So wäre beispielsweise die Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer ein bedarfsgerechtes Betätigungsfeld. Oder die betriebliche Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand: ein Gebiet, das heute kaum sozialpolitisch gelöst wurde. Und weiter: die Humanisierung der Arbeit—eine sozialpolitische Aufgabe, die wichtiger wäre als Arbeitszeitverkürzung.

Nicht der Ausbau von noch mehr Freizeit darf die Grundlage

von sozialpolitischem Denken sein, sondern vielmehr die Unterstützung und Gestaltung von Arbeit überhaupt. Die Arbeitssicherheit — sichere Arbeit ist auch richtige Arbeit — und die Übernahme von Risken, die der einzelne alleine nicht tragen kann, das alles sind wohl zu jederzeit notwendige Aufgaben der Sozialpolitik.

Es ist aber falsch, wenn diese -hier nur als Beispiele - aufgezeigten Sozialleistungen immer wieder gänzlich ohne Gegenleistungen und zusätzlich als eine Selbstverständlichkeit ausgebaut werden sollten. Sozialleistungen müssen verdient werden, im wahrsten Sinne des Wortes. Sie sind Kosten, die ohne Gegenleistungen sehr schnell zu einem Bumerang werden können.

Die Bedürfnisse der Menschen unterliegen einem ständigen Wandel. Jede betriebliche Sozialpolitik muß diesem Wandel gerecht werden.

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