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Verspielt, vertan

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Die Woche der Sprechtheater-Uraufführungen im „steirischen herbst" ist also vorbei. Vorbei ist zugleich eine Woche der enttäuschten Erwartungen, eine Woche schwächlichen Spiels, schlechter Präsentation und ungekonnter Regie.

Barbara Strohschein, deutsche Autorin, versucht in ihrem „Pistolenkuß", sprachlich zwischen Freud und Phrase torkelnd, die Irr-Weit eines sich in seine Kindheit und Krankheit verkriechenden alten Mannes darzustellen, dem sein Krankenbett zum Gefängnis und der Baby-Strampelanzug zu einer Zwangsjacke wird. Alle seine Wünsche projizieren sich in die Krankenschwester Solange (Dorothee Steinbauer), die einmal Geliebte, dann wieder Mutter, einmal Domina, dann wieder Heilige sein muß. Doch der

nicht uninteressante Ansatz leidet unter theaterfernem sprachlichen Dahinplätschern, dem auch die unbeholfene Regie Lucas Cejpeks nicht weiterhelfen kann.

Gerade zur Uraufführung von „Dumpfe Stimmen" des nach seinem Tod zum neuen französischen Wunderpoeten gekürten Bernard-Märie Koltes wurde die Bühne in der Grazer Thalia fertig. Peter Schubert, deutscher „Bühnenbildner des Jahres", fungierte als Regisseur der fast dreistündigen, pausenlosen Aufführung -und stümperte grauenhaft in ärgstem Laientheater. Simple Auftritte und Abgänge, schwülstiges Deklamieren, unnötige technische Kinkerlitzchen optischer und akustischer Art zerdehnen den Abend. Auch die bemühten Akteure sind überfordert, den als Hörspiel konzipierten Text, der die gestörten Beziehungen zwischen Menschen, die sich zugleich suchen und fliehen, verständlich und sinnig über die Rampe zu bringen. Man war wohl nicht gut beraten, das nie aufgeführte Koltes-Werk aus der Versenkung zu holen und es einem Regie-Debutanten zur Exekution anzubieten.

Eine Terror-Strategie verfolgt auch Aureliusz Smigiel mit Magdalena Mu-sial in seinem Stück „Terra ubi leo-nes". Nach einem launigen Beginn, die ein aufgeregter Führer als Szenen aus einem Theaterleben erklärt, verflacht die Vorführung eines fiktiven Theater-Museariums zusehends. Die angekündigte „Reise unter die dicke Haut unserer Gleichgültigkeit" gerät zum sprachlosen Spiel überforderter Pantomimen. Sprachlos bleiben auch die Zuseherob so viel Unsäglichkeit.

Gerhard Fischer und ein Team der Gruppe „daedalus" entwarfen ein den Sekundenschlag der Uhren retardierendes monochromes Raumbild in einer aufgelassenen Fabrikshalle. Nur zwei inhaltlich verschiedene Motive werden in den fünfzig Minuten Dauer des Raumbildes von rund fünfzig marmorierten und spärlich dekorierten Aktmodellen gezeigt - das Thema ist „Der Tod des Orpheus", dargestellt als sich kaum verändernde Momentaufnahme. Dies ist zwar nicht umwerfend, wirkt aber sehr schön -soferne es dem Besucher gelingt, etwas davon zu sehen. Denn anstatt das „Raumbild" begehbar oder umwanderbar zu machen, wurde das Publikum durch Absperrungen davon abgehalten, näher zu treten..

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