Groß war die Hoffnung bis zuletzt. Noch größer ist jetzt die Trauer: Michael Staikos, orthodoxer "Metropolit von Austria und Exarch von Ungarn und Mitteleuropa“, höchster Repräsentant der Orthodoxie in Österreich und unermüdlicher Motor der Ökumene, hat am Dienstag knapp vor seinem 65. Geburtstag den Kampf gegen seine furchtbare Krankheit verloren.
Beispielhaft sein Optimismus bis zuletzt, begleitet von den guten Gedanken und Gebeten so vieler Christen, die in ihm ein weithin sichtbares Vorbild als Seelsorger, Brückenbauer und Bischof des weiten Horizonts sahen im Geist seines Vorgängers, Metropolit Chysostomos Tsiter und seines großen Wegbegleiters Kardinal Franz König.
Noch drei Tage vor seinem Tod saß Michael Staikos, geschwächt, aber mit seinem Schöpfer in Frieden, vor dem Gnadenaltar in Mariazell. In der Gewissheit, dass es jenseits des Kreuzes zur Auferstehung hingeht - jedenfalls in einem anderen Leben. Und um Abschied zu nehmen von einer Kraftquelle, die ihn über Jahrzehnte hinweg gestärkt hatte und der er nach überstandener Flugzeugentführung einst auch seine Tauf-Ikone übertragen hatte. Schon Stunden später verfiel er in eine Ohnmacht, aus der er nicht mehr erwachte.
Metropolit Staikos war die prägende Gestalt ostkirchlichen Lebens in Österreich. Mehr als fünf Jahre führte er den "Ökumenischen Rat der Kirchen“, initiierte u. a. das "Ökumenische Sozialwort“ der heimischen Kirchen und weckte mit der enormen Kraft seines Wortes und seiner alle konfessionellen Grenzen überwindenden Spiritualität ein bisher nicht gekanntes Interesse an den geistlichen Schätzen der Ostkirche. Zugleich vertrat er das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel bei unzähligen interkonfessionellen Konferenzen und Begegnungen und gehörte selbst mehrfach der Kirchenleitung dem "Heiligen Synod“ an. Erst in der Vorwoche hatte Patriarch Bartholomaios I. bei einem Besuch am Berg Athos zum Gebet für seinen kranken Wiener Delegaten aufgerufen.
Als Bundespräsident Fischer dem von seiner Krankheit schon gezeichneten Metropoliten im Frühjahr das "Große Goldene Ehrenzeichen mit dem Stern“ überreichte, war dies die hoch verdiente Würdigung eines Kirchenmannes, der seit seiner Inthronisation 1991 auch seinem gesellschaftlichen Engagement treu geblieben war. "Österreich darf nie seinen Ruhm als Land der Toleranz verlieren“, sagte Staikos schon damals, "deshalb ist auch das Boot weder voll noch wird es untergehen, wenn es von den Wellen der Nächstenliebe und nicht von begrenzten finanziellen und parteipolitischen Interessen getragen wird.“ Präziser lässt sich dieser Schnittpunkt von Staat und Kirche kaum beschreiben, an dem sich Staikos nie gescheut hatte, das zu Wort zu ergreifen
Ihm verdankt Österreich die religiöse Integration orthodoxer Neubürger, deren Zahl innerhalb von zwei Jahrzehnten (v. a. durch Balkankriege) von 30.000 auf mehr als eine halbe Million Menschen hinaufgeschnellt war. Sein Herkuleswerk, ihnen allen pastorale Betreuung, den Religionsunterricht in über tausend Schulen, die Krankenhaus-, Militär und Gefangenenseelsorge usw. zu sichern, hat erst kurz vor seinem Ableben die verdiente Würdigung erfahren. Noch in den letzten Lebensmonaten konnte Staikos auch eine orthodoxe Bischofskonferenz in Österreich unter seiner Führung schaffen. Sein Tod ist nicht nur für Christen ein enormer Verlust. Mit ihm verliert unser Land eine seiner wichtigsten Integrationsfiguren.
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